Texas 2


ALLER ANFANG IST SCHWER
- deutsche Auswanderer in Not

1841, also lange vor Karl May, erschien in Deutschland ein Roman über Texas, der eine Welle der Begeisterung entfachte. "Das Kajütenbuch" von Charles Sealsfield malte das Bild von einem Paradies auf Erden. Texas war bald in aller Munde: ein junger, aufstrebender Staat, gerade unabhängig geworden von Mexiko und noch nicht in die USA eingegliedert. Dazu kaum besiedelt und so scheinbar wie geschaffen für eine deutsche Kolonisation. Auch junge Edelmänner wie der bereits erwähnte Prinz zu Solms-Braunfels oder die Grafen zu Castell und Leiningen-Westerburg ließen sich von der Begeisterung anstecken. Gemeinsam mit 18 weiteren Standesgenossen gründeten sie am 25. März 1844 in Mainz den "Verein zum Schutze deutscher Auswanderer in Texas".

Titelfoto: Wüste nördlich von Fredericksburg

Reportage (Radio SWR4 RP, 13.01.2003):

"Ein Verein hat sich gebildet, dessen Zweck es ist, die deutsche Auswanderung, so viel als möglich nach einem einzigen, günstig gelegenen Punkte hinzuleiten, die Auswanderer auf der weiten Reise zu unterstützen und nach Kräften dafür zu wirken, dass ihnen jenseits des Meeres eine neue Heimat gesichert werde."

So lautete die satzungsgemäße Begründung. Die Mitglieder des Mainzer Adelsvereins ließen sich einerseits von ideellen Motiven leiten. Sie wollten Armut und Not im damaligen Deutschland begegnen und den Menschen neue Hoffnung geben. Andererseits aber hatten sie auch materielle Ziele. Mit einer deutschen Kolonie in Texas sollten neue Absatzmärkte für die heimische Wirtschaft eröffnet werden. Und das war ihr Plan: Land in großem Stil ankaufen und den Auswanderern kostenlos zur Verfügung stellen. Nur für geringfügige Auslagen sollten sie selbst aufkommen. Die angebotenen Verträge gingen weg wie warme Semmeln.

"Der mitunterzeichnete Christian Schlaudt bescheinigt hierdurch, dass ihm von oben genanntem Verein 90 Gulden und 30 Kreuzer zu seiner Übersiedelung nach Texas vorgeschossen worden. Indem derselbe über den Vertrag quittiert, verpflichtet er sich ... so lange auf die Besitzergreifung und das Eigentumsrecht des ihm von dem Verein geschenkten Landes zu verzichten, bis obige Schuld durch Dienstleistungen für den Verein ... in Texas abverdient wird."

Nach fast zehnwöchiger Fahrt über den stürmischen Atlantik kamen im Frühjahr 1845 die ersten 200 Familien in Texas an. Doch Carl zu Solms, der Generalkommissar des Vereins, empfing sie mit leeren Händen. Das erworbene Siedlungsgebiet lag in unerreichbarer Entfernung von der Küste, es war von Indianern bewohnt und nicht vermessen – somit praktisch wertlos. In seiner Verzweiflung kaufte der Prinz deshalb mit dem letzten Geld ein kleines Fleckchen Erde auf halber Strecke und nannte es Neu-Braunfels. Damit konnte er zumindest einige Siedler fürs Erste vertrösten. Der Westerwälder Christian Kaiser zum Beispiel schrieb an seine Familie daheim:

"Wir haben ... unsere 320 Morgen Land ... noch nicht erhalten, sondern einen halben Morgen als Stadtplatz und neuneinhalb Morgen Land, was etwas entfernt davon liegt; dies soll ein Geschenk sein für uns als die ersten Colonisten, und wir sollen die 320 Morgen später bekommen."

Schönes, aber wertloses Land
"Durchaus gutes Land und sehr gesund"
"Immer so warm wie im Sommer"

Diese Hoffnung aber ging nicht in Erfüllung. Baron von Meusebach, der Nachfolger des glücklosen Solms, übernahm einen Scherbenhaufen. Viele Auswanderer, die das nötige Geld hatten, kehrten enttäuscht nach Deutschland zurück. Und ihre Berichte über schlechte Organisation, über Versorgungsprobleme und Seuchen machten schnell die Runde. Dazu kam, dass Texas noch 1845 den Vereinigten Staaten beitrat. Damit war der Traum von einer deutschen Kolonie ausgeträumt. Ein Fiasko für den Mainzer Adelsverein, der schließlich, wie erwähnt, im Bankrott endete.

Aber die Auswanderer, die allen Widrigkeiten zum Trotz in Texas blieben, schlossen ihre neue Heimat offenbar schnell ins Herz. In einem Brief von Johann Weyel an die Verwandten im Westerwald heißt es:

"Jedes Jahr wird zweimal geernt’t, besonders Mais, Baumwolle, süße Kartoffeln, Tabak und allerlei Gartengewächse werden hier gepflanzt, weil dies ein durchaus gutes Land ist und sehr gesund. Wir haben diesen Winter ohne Schnee gelebt, immer so warm wie bei uns, wo wir in Deutschland waren, im Sommer."

Und Ludwig Vogel wurde gar zum Poeten. In seinem Brief an den Geschäftsführer des Adelsvereins, Graf Karl zu Castell, in Mainz schrieb er:

"Wahrlich, was das Land betrifft, entspricht es allen unseren Erwartungen. Herrliche Wälder, welche die Natur mit wilden Weinranken, Nüssen und anderen Früchten gesegnet hat, und unsere Wiesen prangen mit dem üppigsten Grün, worin der Flora selbst der Brautkranz gewunden, und man trifft einzelne Partien, die so schön, um unsere Jüngslingsideale zu verwirklichen – als habe man schon als Knabe dort gespielt."

 

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Hier geht's nach Fredericksburg und zur Reportage Texas 3.