Barbados
DAS SÜSSE LEBEN DER KARIBIK
Wenn in Deutschland die Blätter fallen, wenn graue Nebelschwaden den Himmel verdüstern und die dicken Pullover aus dem Schrank geholt werden, dann beginnen viele zu träumen. Von Sonne, Strand und Palmen. Und dass der Sommer nie zuende geht – so wie in der guten alten "Raffaello"-Werbung. Die kleine Karibik-Insel Barbados lässt solche Träume wahr werden. Ihre weißen Sandstrände laden das ganze Jahr über zum (Sonnen-)Baden ein. Die Nähe zum Äquator macht's möglich. Barbados gehört zu den Kleinen Antillen und liegt am südöstlichsten Ende des Archipels. Es ist eine Koralleninsel und nicht vulkanischen Ursprungs wie die meisten anderen westindischen Inseln. 1536 wurde Barbados von den Portugiesen entdeckt, aber erst ein knappes Jahrhundert später von den Engländern in Besitz genommen und kolonisiert. Seit 1966 ist Barbados ein unabhängiger Staat im British Commonwealth of Nations. Auf 430 Quadratkilometern – und das ist gerade mal doppelt so groß wie der Main-Taunus-Kreis in Hessen – leben rund 270.000 Barbadier, ungefähr die Hälfte davon in der Hauptstadt Bridgetown. Früher war Zucker die wichtigste Einnahmequelle. So mancher Zuckerbaron wurde durch das "Weiße Gold" steinreich und führte ein süßes Leben im Luxus. Zuckerrohr wird zwar auch heute noch angebaut und verarbeitet, aber inzwischen lebt Barbados in erster Linie von den Touristen. Und für die geht das süße Leben als dolce vita unvermindert weiter.
Reportage (Radio hr-iNFO, 18.11.2006):
[Musik: "Barbados" von Typically Tropical]
Typically Tropical hieß die englische Band, die in den 70er Jahren Sehnsucht nach Barbados weckte. Bandleader Jeffery Calvert hatte seine Urlaubseindrücke in diesem Song verarbeitet. Zu der Zeit war Jacqueline Ince noch ein Kind. Sie lebte in Düsseldorf, aber ihre Mutter kam aus Barbados. Als Erwachsene und mittlerweile selbst Mutter von zwei Töchtern wurde auch Jackie von der Sehnsucht gepackt. Sie kehrte Deutschland den Rücken und siedelte in die Karibik um. In ihrer neuen Heimat fühlte sie sich auf Anhieb wohl.
"Ich würd' sagen, die Leute in Barbados sind unheimlich freundlich, man kann sich verlaufen, verirren, die helfen einem. Es ist natürlich das Wetter – es ist das ganze Jahr hindurch sehr schön. Äähm, und es ist mehr Qualität, nicht so das schnelle Leben, man genießt mehr hier. Also, das ist ein ganz großer Punkt."
Auch äußerlich fällt Jackie überhaupt nicht auf, denn sie ist dunkelhäutig wie fast alle Barbadier – meist Nachfahren von afrikanischen Sklaven. Die mussten auf den Zuckerrohr-Plantagen schuften, während sich ihre weißen Herren mit dem "weißen Gold" eine goldene Nase verdienten. Im Sunbury Plantation House, heute ein Museum, kann man sich davon ein Bild machen. Von den Mahagoni-Möbeln bis zum Tafelsilber zeugt die ganze Einrichtung vom Reichtum ihrer Besitzer.
[Musik: "Sugar, Sugar" von The Archies]
[O-Ton Museumsführerin Shonay:]
"Sugar was profitable in those times ...
Zucker war damals sehr profitabel, erzählt Museumsführerin Shonay. Wer eine Zuckerrohr-Plantage betrieb, der war jemand. Selbst als die Sklaverei verboten wurde, bekamen die Arbeiter kein Geld. Sie erhielten lediglich Essen und durften eine Hütte auf dem Grundbesitz bauen. Und wenn sie gefeuert wurden, mussten sie alles mitnehmen und fortgehen.
... they have to move everything and go."
Damit sie leichter umziehen konnten, hatten ihre Hütten kein Fundament. Und dieser einfache Baustil wird bis heute gepflegt. Mehr aus Tradition als aus Notwendigkeit. Die große Zeit der Plantagenwirtschaft ist nämlich vorbei. Heute muss Barbados sogar Zucker importieren, um den Bedarf zu decken. Eigentlich kaum zu glauben, denn noch immer sind weite Teile der Insel von Zuckerrohr-Feldern bedeckt. Die schilfartigen Halme bestimmen das Landschaftsbild. Davon können wir uns auf einer Jeep-Safari überzeugen.
[Atmo: Jeep-Safari]
Über Stock und Stein holpern wir mitten durch die Felder. Hauptsächlich Zuckerrohr, aber auch Bananen und Süßkartoffeln. Alles wächst und gedeiht in dem tropischen Klima. Es gibt sogar noch letzte Reste von Urwald. Ganz ohne wilde Tiere eigentlich, und dennoch kriegen wir bei dieser Safari einen Löwen zu sehen. Er steht auf dem Gun Hill, einem Aussichtspunkt im Zentrum der Insel, ist allerdings nur aus Stein.
"This is a symbol of the British time ...
Er ist ein Symbol für die britische Kolonialzeit 1868, als sie die ganze Welt beherrschten, erklärt unser Chauffeur und Tourguide Ivan. Sie kamen nach Barbados und hauten diesen Löwen aus dem Felsen heraus. Und ebenso diese rote Kugel. Sie symbolisiert die Erde, das britische Weltreich zu dieser Zeit.
... at this time, back in 1868."
Und weiter geht die Safari an der felsigen Ostküste entlang bis hinauf zum nördlichsten Punkt der Insel, wo Atlantik und Karibische See aufeinander treffen. Nach der staubigen Fahrt durch die schwüle Tropenhitze ist jetzt endlich Zeit für eine kurze Abkühlung im Meer. Der kleine Strand am North Point sei nur einer von etwa 400, sagt Ivan.
[O-Ton Jeep-Fahrer Ivan:]
"Actually my favourite one is ...
Mein Favorit ist ein Strand namens Accra Beach. Der gefällt mir sehr und da kann man auch gut schwimmen. Der ist unten im Süden der Insel. Aber an der Westküste, der karibischen Seite, die viel sanfter ist, haben wir den Mullins Beach. Da kommen Einheimische wie Touristen hin und haben viel Spaß. Da gibt's auch alle möglichen Arten von Wassersport.
... a lot of water sports going on."
[Atmo: Meeresrauschen]
Alle Strände sind öffentlich zugänglich. Einige können wir im Selbstversuch testen und manche sind wirklich sehr zu empfehlen. Dennoch – irgendwas fehlt.
[O-Töne Touristinnen:]
"Es sind schon weiße Sandstrände und das Wasser ist türkisfarben, aber es ist nicht so diese endlosen Strände. Also, es gibt schon schönere Strände woanders auf der Welt."
"Es ist einfach weißer Sand, wunderschön, aber diese Palmen haben mir ein bisschen gefehlt. Man stellt sich ja aus der Werbung dieses Feeling vor, Bacardi-Feeling, wo die Kokosnüsse dir gleich auf'n Kopf fallen, und das hat mir da ein bisschen gefehlt."
[Musik: "Bacardi Feeling" von Kate Yanai]
Aber natürlich gibt's auf der Insel auch Palmen und Kokosnüsse und Rum sowieso! Nirgendwo auf der Welt hat der Zuckerschnaps eine so lange Tradition wie auf Barbados. Die Mount Gay Rum Distilleries produzieren ihn schon seit mehr als 300 Jahren und führen Besucher gerne durch die Fabrik.
"My name is Brian. I Want to be your tour guide for this Mount Gay tours session. Let me take the opportunity to officially welcome you to the home of the world's oldest and finest rums – Mount Gay rums. Since 1703."
Der älteste und feinste Rum der Welt, seit 1703, sagt unser Tourguide Brian zur Begrüßung. Und er erzählt uns alles über Fermentierung und Destillierung, über Reifung und Abmischung. Rum ist eine Wissenschaft für sich. Und für die Barbadier noch viel mehr, meint Brian, nämlich Teil ihrer Kultur. Überall auf der Insel gibt es so genannte Rum Shops – ähnlich wie die Pubs in England. Und da ist immer was los.
[O-Ton Mount-Gay-Führer Brian:]
"The thing is in the rum shop ...
Wenn du in einen Rum Shop gehst, darfst du den Rum nicht mit nach Hause nehmen. Du sollst ihn kaufen und gleich dort trinken. Wenn du also mit fünf Freunden beispielsweise dort bist, kauft einer die erste Flasche und alle leeren sie gemeinsam. Danach ist der nächste dran und so weiter. Auf diese Weise kannst du Stunden im Rum Shop verbringen. Und unser Mount Gay Eclipse ist die populärste Sorte, die ich kenne.
... most popular one that I know of."
Zum Abschluss also noch ein bisschen Eigenwerbung, schließlich soll möglichst keiner die Rumfabrik verlassen, ohne mindestens ein Fläschchen zu kaufen. Und wer kann zu dieser süßen Versuchung schon "nein" sagen?
[Musik: "Hot Hot Hot" von Banks Soundtech Steel Orchestra]
Zuckerschnaps ist wie ein Grundnahrungsmittel für die Insulaner. Aber natürlich ernähren sie sich nicht nur von Hochprozentigem. Ihr Nationalgericht ist Fliegender Fisch mit Cou-cou aus Maismehl und Okra-Gemüse. Auch die Ex-Düsseldorferin Jackie Ince hat die Küche von Barbados schätzen gelernt:
[O-Ton Jackie Ince:]
"Cou-cou, Flying Fish, Dolphin – ist aber nicht Flipper. Es ist 'ne Fischart, die heißt nur DoIphin. Dazu Pfeffersoße, Hähnchen – es wird viel Hähnchen, viel Fisch gegessen. Also, man lebt sehr gesund, man isst auch viel weniger. Ich denke mal, Flying Fish sollte man probiert haben, wenn man hier ist und Fisch überhaupt. Oistins Fish Fry, freitags in Oistins, sollte man auf jeden Fall mitmachen."
[Musik: "Ragga Ragga" von Banks Soundtech Steel Orchestra]
[O-Töne Touristinnen:]
"Das ist so'n alter Fischmarkt mit lauter so Buden, wo es Diskotheken und viele Plätze zum Tanzen gibt und wo sich das echt schön mischt. Da sind Einheimische wie Touristen, die zusammen tanzen und das ist 'ne sehr entspannte Atmosphäre."
"Da waren echt zehn Männer, der eine hat angefangen zu tanzen, so Line Dance, und dann kam der zweite, der dritte dazu, und plötzlich standen da zehn Männer und haben zusammen getanzt. Auch mit 'nem guten Takt- und Rhythmusgefühl. Das sieht man einfach bei uns nicht und das war herrlich."
Der Fisch für Oistins Fish Fry kommt natürlich fangfrisch aus den Gewässern rund um die Insel. Bei einer Schnorcheltour mit dem Katamaran sehen wir Schwärme von Fischen in allen Größen und Farben. Am faszinierendsten aber sind die Meeresschildkröten von Turtle Bay.
"What brought them into the area ...
Die kamen hier in die Gegend wegen der Fischer, erklärt Thomas von unserer Bootsbesatzung. Wenn sie ihren Fang säubern, werfen sie den Abfall ins Wasser und locken damit die Schildkröten an. Wir füttern sie jeden Tag und sie werden immer zahmer. Sie suchen einfach nach Futter.
... lookin' for some free food."
Und tatsächlich, als wir mit Taucherbrille ins seichte Wasser springen, kommen sie gleich angepaddelt. Sie zeigen keine Scheu und lassen sich sogar berühren.
[O-Töne Touristinnen:]
"Meine Eindrücke waren toll. Ich hab' ne Schildkröte auch gestreichelt, und es is' irgendwie 'n total schönes Gefühl, die direkt vor'm Gesicht zu haben, wie die dann in den Fisch reinbeißen und so, also toll!"
"War 'ne tolle Erfahrung, so 'ne Meeresschildkröte mal anzufassen. Das Wasser is' warm, man kann ohne Weiteres rein und, tja, schwimmt mit den Schildkröten."
Die Tiere stehen unter Artenschutz. Die Universität von Westindien in Bridgetown wacht über sie und ihre Brutplätze. Diese Leder- und Karettschildkröten waren fast vom Aussterben bedroht, doch inzwischen haben sie sich wieder vermehrt. Auf Barbados lässt es sich eben gut leben – für Tier und Mensch.
(O-Ton Touristin:)
"Gerade wenn man jetzt denkt, in Deutschland ist es kalt, dann ist es natürlich 'n Traum hier zu sitzen, draußen zu frühstücken und am Meer zu sitzen, und hier sind Palmen und es ist 30 Grad warm. Das allein spricht schon für die Karibik."
Den Besuchern gefällt es, das süße Leben. Aber nicht zuletzt durch den Tourismus haben es auch die Barbadier zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Jackie Ince zum Beispiel fand einen guten Job im Management eines Fünf-Sterne-Hotels. Keine Sekunde hat sie gedacht: "Wärst du doch in Düsseldorf geblieben".
[O-Ton Jackie Ince:]
"Das Leben hier ist einfach nicht so stressvoll, und von daher würd' ich sagen, ich hab' die große Welt schon erlebt und jetzt will ich's einfach langsam und ruhiger angehen und es genießen und nicht erst, wenn ich 60 bin, sondern jetzt, im Mittelalter, es mal richtig genießen."
[Musik: "Barbados" von Typically Tropical]
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PLEITEN, PECH UND STERNE
- Ernüchterung im Luxushotel
Barbados, Oktober 2006.
Die Veranda-Tür klemmt. Draußen vor der Luxus-Suite lockt der Privat-Pool mit seinem kühlen Nass, aber der Weg dorthin ist versperrt. Die Hostess ist der Verzweiflung nahe. Da soll sie eine Hotelführung mit einer Gruppe von Journalisten aus Deutschland und der Schweiz machen, aber nichts funktioniert. Sie kann einem Leid tun, ist sie doch selbst nur für eine Kollegin eingesprungen, die zum verabredeten Termin nicht erschienen war. Dies nur eine weitere Episode in einer Serie von Pannen, die unseren Aufenthalt in der Fünf-Sterne-Herberge auf der Karibik-Insel begleitet haben.
Schon am Abend unserer Ankunft ging es los. Eine meiner Kolleginnen konnte ihre Suite nicht betreten, weil die Chipkarte falsch kodiert war. Eine andere konnte ihre Tür nicht mehr abschließen. Ich selbst war am folgenden Morgen im Schlafzimmer meiner Suite eingeschlossen. Die Klinke der Verbindungstür zum Wohnzimmer hatte sich verklemmt. Zum Glück stand ein Telefon neben dem Bett. Also rief ich bei der Rezeption an und schilderte, so gut es ging, auf Englisch mein Problem. Nach einer halben Ewigkeit hörte ich ein Klopfen an der Außentür, aber ich konnte natürlich nicht öffnen, weil ich im Schlafzimmer gefangen war. Wieder rief ich bei der Rezeption an, wieder musste ich eine halbe Ewigkeit warten, bis endlich Hilfe kam.
Diesmal hatte der Hotelangestellte offenbar daran gedacht, eine Chipkarte mitzunehmen, um die Außentür selber zu öffnen. Über den Balkon, der sowohl vom Wohnzimmer als auch vom Schlafzimmer zugänglich ist, befreite er mich aus meiner Gefangenschaft. Insgesamt eine Dreiviertelstunde hatte ich festgesessen.
Genervt und gehetzt setzte ich mich kurz darauf an den Frühstückstisch. Jetzt ein Kaffee zur Beruhigung! Aber denkste. Genau 35 Minuten dauerte es, bis die Tasse vor mir auf dem Tisch stand. Dreimal hatte ich nachgefragt, dreimal ein freundliches Nicken zur Antwort bekommen, aber keinen Kaffee.
Der Ärger setzte sich fort, als ich nach dem Frühstück meine Wertsachen im Zimmersafe verstauen wollte, aber auch hier der Schließmechanismus versagte. Mehreren Kolleginnen, hörte ich später, ging es nicht besser. Auch der Blick durchs Fenster auf eine gigantische Baustelle konnte meine Laune nicht heben. Erst ein Teil der Hotelanlage ist fertig. Drumherum entstehen weitere Gebäude mit Suiten, ein "Spa" und Pools. Bis 2009 werden die Gäste den Baulärm ertragen müssen. Keine angenehme Vorstellung.
Okay, wir waren eingeladen und mussten für den Aufenthalt in der Nobelherberge nichts zahlen. Da sieht man schon mal über kleinere Unzulänglichkeiten hinweg. Wenn ich mir aber vorstelle, ich hätte an die 400 US-Dollar pro Nacht hingeblättert, dann wäre sicher Schluss mit lustig. Und ich frage mich, wie die Herberge zu ihren fünf Sternen gekommen ist. Denn was nützt die luxuriöseste Suite, wenn es ansonsten nur Pleiten, Pech und Pannen gibt?
Wenigstens scheint das Erlebte nicht typisch für Barbados zu sein. Den Rest der Woche verbringen wir in einem anderen Hotel, das "nur" vier Sterne hat. Dort sind die Zimmer zwar nicht ganz so groß und nicht ganz so edel ausgestattet, aber alles andere funktioniert einwandfrei. Unsere Nerven werden nicht strapaziert – endlich ungetrübte Urlaubsfreude im tropischen Urlaubsparadies!
Und die Moral von der Geschicht': Verlass' dich auf die Sterne nicht.
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