Konstanz (Baden-Württemberg)

DA BOXTE DER PAPST
- Erinnerungen an das Konzil vor 600 Jahren

Es kann auf Erden nur einen Stellvertreter Christi geben, sollte man meinen. Aber vor genau 600 Jahren gab es gleich drei Päpste gleichzeitig: einen in Rom, einen in Avignon und einen in Pisa. Dieser unhaltbare Zustand wurde das "Große abendländische Schisma" genannt. Um die Spaltung der Kirche zu beenden, berief der römisch-deutsche König und spätere Kaiser Sigismund ein Konzil ein. Als Tagungsort wählte er Konstanz. Für vier Jahre (1414 – 1418) wurde die kleine Reichsstadt am Bodensee zum Mittelpunkt der Christenheit. Nur etwa 6.000 Einwohner mussten insgesamt mehr als 70.000 Gäste – Geistliche wie Laien nebst Gefolge aus ganz Europa – beherbergen, verköstigen und unterhalten. Die spätmittelalterliche Mammutveranstaltung ist zum 600-jährigen Jubiläum wieder in aller Munde. Mehrere Themenführungen erinnern auf ebenso interessante wie amüsante Weise an die bedeutendsten vier Jahre der Stadtgeschichte. Darunter auch eine Führung mit "Augenzeugen". Quasi aus erster Hand berichten sie von der aufregenden Zeit, als in Konstanz "der Papst boxte".

Reportage (Radio hr4, 25.04.2015):

Ulrich von Richental war einer dieser Augenzeugen. Als Sohn des Stadtschreibers hat er eine umfangreiche Chronik des Konzils verfasst. Er kannte praktisch jeden im damaligen Konstanz und war einem kleinen Plausch selten abgeneigt. Ob mit der Königin, dem päpstlichen Sekretär oder mit einem spanischen Hofnarren. Beim Bummel über den Markt schenkte er auch der Fischersfrau Margarethe Siebenhaar gerne mal sein Ohr:

[zum Anhören klicken: Dialog Henry Gerlach alias Ulrich von Richental mit Gudrun Schnekenburger alias Margarethe Siebenhaar]

"Gott zum Gruße, Margarethe."
"Gott zum Gruße, Ulrich."
"Wo sind denn deine Fische geblieben?"
"Du, ich hab überhaupt keine Fische mehr. Weißt du, mein Mann, der Lorenz, ist auf dem See und kommt nicht heim, und ich hab alles verkauft, und dabei brauchen wir so viele Fisch', wo die ganze Stadt voll Pfaffe ist. Jetzt ist alles verkauft, nichts mehr da."

Es gab einfach zu viele Fastentage für die vielen kirchlichen Würdenträger. Da wurde der Fisch schnell mal knapp. Aber zum Glück war Konstanz ja günstig gelegen. König Sigismund hatte den Ort des Konzils nicht zufällig gewählt, versichert Augenzeuge Ulrich von Richental:

"Ulrich v. Richenthal" mit "Fischersfrau"
"Imperia"
Konzilsgebäude

[O-Ton Henry Gerlach alias Ulrich von Richental:]
"Oberschwaben war die Kornkammer, gerade der Thurgau und das Sanktgallische waren bekannt für die Fleischproduktion sozusagen. Man schätzt etwa zehn mal mehr Weinanbau um den See herum – also auch dafür war gesorgt. Und aus dem Bodensee eben auch Fisch."

Doch der Mensch lebt nicht von Fisch und Brot allein. Selbst mancher Geistliche hat auch noch andere Bedürfnisse. Deshalb boten während des Konzils ganz spezielle Damen ihre ganz speziellen Dienste an. Eine moderne Statue am Hafen, die "Imperia", erinnert heute daran.

[O-Ton Henry Gerlach alias Ulrich von Richental:]
"Ohne mich würde es die Imperia gar nicht geben, denn ich habe während des Conciliums von unserm Herrn, dem Herzog von Sachsen, einen Auftrag bekommen, nämlich die Hübschlerinnen in Konstanz zu zählen, und so gingen wir dann zu zweit von Haus zu Haus und zählten in manchen 20, in manchen 30, und so kam ich dann auf die Zahl von 700 in dieser Stadt."

Fisch wurde knapp
König Sigismund
Chronist Ulrich v. Richenthal

Kein Wunder, dass es Jahre gedauert hat, bis das Konzil endlich zum Ziel kam, die Kirchenspaltung überwinden und sich auf einen gemeinsamen neuen Papst einigen konnte. Das Konklave selbst fand im Kaufmannshaus am Seeufer statt und dauerte nur vier Tage. Am 11.11.1417 war es so weit, berichtet Augenzeuge Ulrich:

[zum Anhören klicken: O-Ton Henry Gerlach alias Ulrich von Richental]

"Und sodann wurde auch das Fenster aufgemacht, und es hieß: 'Habemus papam'. Es war der 11. November, wie ich notiert habe, zur elften Stunde, und der 11. November ist ja der Tag des Heiligen Martin, und so hieß dann nun unser neuer Papst Martin der Fünfte."

Er war der einzige Papst, der je auf deutschem Boden gewählt wurde. Sechs Jahrhunderte sind inzwischen vergangen, aber die "Augenzeugen" in Konstanz lassen ihn und seine Zeit wieder lebendig werden.

 

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KETZER MÜSSEN BRENNEN
- der grausame Tod des Johannes Hus

Neben der Beendigung der Kirchenspaltung und der einzigen Papstwahl auf deutschem Boden hat das Konstanzer Konzil noch aus einem anderen Grund Geschichte geschrieben – und zwar aus einem sehr grausamen: Es verurteilte den böhmischen Reformator Johannes (Jan) Hus als Ketzer und ließ ihn auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
Auch dieses finstere Kapitel wird bei einigen Stadtführungen zum 600-jährigen Jubiläum des Konzils thematisiert, am ausführlichsten bei der Führung "Heiliger oder Ketzer? Mit Jan Hus auf Spurensuche". Noch mehr erfährt man bei einem Besuch im Hus-Haus, einem eigens für den von vielen Tschechen als eine Art Nationalheiligen Verehrten eingerichtetes Museum (Eintritt frei). Es ist in dem Gebäude untergebracht, wo Hus der Überlieferung nach bis zu seiner Verhaftung gewohnt haben soll.
Wer aber war Johannes Hus?
Bereits ein Jahrhundert vor Martin Luther prangerte der Prager Priester und Gelehrte Missstände in der Kirche an. Unter anderem kritisierte er den Ablasshandel und zweifelte die alleinige Autorität des Papstes in Glaubensfragen an. Allein die Bibel war für ihn maßgeblich. Außerdem predigte er statt in lateinischer in tschechischer Sprache. Als er auch ein Verbot des Prager Erzbischofs missachtete, wurde er zum Konzil nach Konstanz bestellt, um sich dort vor der versammelten kirchlichen Obrigkeit zu verantworten.
Hus trat die weite Reise in bestem Glauben an, hatte König Sigismund ihm doch freies Geleit zugesichert. Doch als er sich auch auf dem Konzil weigerte seine Lehren zu widerrufen, wurde er verhaftet und im Dominikanerkloster (das heutige Insel-Hotel) eingesperrt. An die Zusicherung des freien Geleits sah sich der König nicht mehr gebunden, denn "Ketzern" gegenüber brauchte man nach damaliger Überzeugung nicht Wort zu halten.
Johannes Hus wurde verurteilt und am 6. Juli 1415 vor den Toren der Stadt verbrannt. Sein Tod löste in seiner böhmischen Heimat Entsetzen und Wut aus. Es kam zu Aufständen seiner Anhänger und schließlich zu den blutigen "Hussiten-Kriegen".

 

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