Zermatt (Schweiz)


DAS MATTERHORN-DRAMA WIRD 150
- die Feierlichkeiten zum Jubiläum der Erstbesteigung

Es war ein dramatisches Wettrennen mit tragischem Ausgang: Der junge englische Alpinist Edward Whymper hatte erfahren, dass ein italienisches Team um den Bergsteiger Jean Antoine Carrel vom Aostatal versuchen wollte, das als unbesteigbar geltende Matterhorn zu bezwingen. Diese Nachricht stachelte Whympers Ehrgeiz an. In aller Kürze stellte er eine eigene (britisch-schweizerisch-französische) Seilschaft zusammen, um vom Schweizer Dorf Zermatt aus den Italienern zuvorzukommen. Tatsächlich schafften es Whymper und seine sechs Bergkameraden denkbar knapp die Konkurrenz zu besiegen. Am 14. Juli 1865 standen sie als erste Menschen auf dem Gipfel des Viereinhalbtausenders (exakt 4.478 m). Doch auf dem Rückweg stürzten vier von ihnen in den Tod. Trotzdem zählt ihre Pioniertat bis heute zu den Meilensteinen des Alpinismus und wurde mehrfach verfilmt (u.a. mit Luis Trenker in "Der Berg ruft" von 1937/38). Im Sommer 2015 feiert Zermatt das 150-jährige Jubiläum der Erstbesteigung mit zahlreichen Veranstaltungen rund um den vielleicht schönsten Berg der Welt.

Reportage (nur für diese Webseite):

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Der Berg ruft. Die Faszination des Matterhorns ist ungebrochen. Rund 3.000 Alpinisten stehen alljährlich auf dem Gipfel, an guten Tagen während der Klettersaison können es schon mal 300 sein, die allein auf der Hörnligrat-Route nach oben steigen. Und trotzdem ist das Matterhorn auch heutzutage kein Allerweltsberg. Thomas Halsner, ein erfahrener Bergsteiger aus München, versucht den Mythos in Worte zu fassen:

[O-Ton Thomas Halsner:]
"Ich denke, dieser Berg hat allein durch seine Optik, wie er da alleine steht, eine Faszination, die auch nie gebrochen werden wird. Es ist kein ungefährlicher Berg, man kann da nicht einfach hochwandern. Die Herausforderung ist natürlich zum einen die Höhe, der Aufstieg an sich, alpine Gefahren, die allgegenwärtig sind, dass die Route nicht sehr einfach zu finden ist und dass nur wenige Schritte in die falsche Richtung doch zu großen Problemen führen können."

Große Probleme, wie die Erstbesteiger um Edward Whymper sie hatten. Kein Wunder, ist man geneigt zu sagen, gab es doch damals noch keine moderne Bergsteigerausrüstung, keine verlässlichen Wettervorhersagen und keine Erfahrungsberichte, auf die sie sich hätten stützen können. Umso größer ihre Pionierleistung, findet Thomas Halsner:

Der Berg ruft
Erstbesteiger-Team*)
Gerissenes Seil im Museum

[O-Ton Thomas Halsner:]
"Heute geht man mit Steigeisen hoch, damals waren es nagelbeschlagene Schuhe. Die Goretex-Membran oder andere Membranen waren noch ferne Zukunft oder überhaupt noch nicht gedacht sozusagen, insofern also ein extrem großer Respekt vor der Leistung, vor der bergsteigerischen Leistung damals und auch vor der Verbissenheit mit den damaligen Mitteln zu sagen, doch, ich will da hoch, ich will es schaffen."

Am Ende jedoch wurde ihr Triumph zur Tragödie, als ein Seil riss und vier von ihnen, drei Briten und ein französischer Bergführer, beim Abstieg in den Tod stürzten. Nur Edward Whymper selbst und die beiden einheimischen Bergführer Peter Taugwalder, Vater und Sohn, überlebten. Dennoch ist das 150-jährige Jubiläum ein Grund zum Feiern, meint Edith Zweifel von Zermatt Tourismus:

[O-Ton Edith Zweifel:]
"Diese drei haben es zurückgeschafft, und das ist eine alpinistische Pioniertat; daraus ist natürlich der Tourismus in Zermatt entstanden, und das feiern wir. Wir feiern die Leistung, wir haben Respekt gegenüber den Toten, auch gegenüber den Toten, die es im Laufe der Jahre gab, das sind rund 500 auf der Schweizer Seite und noch rund 200 auf den italienischen Seiten, und diese 700 Toten, da haben wir Respekt, und wir zollen ihnen Respekt auch mit dem 'Tag der Stille' am 14. Juli auf dem Matterhorn. Da gehen keine Alpinisten hoch."

Triumph*)
Absturz*)
David und Josef Taugwalder

Einer der Höhepunkte der Feierlichkeiten werden die Freilichtspiele auf dem Riffelberg sein. In 2.600 Meter Höhe, vor der natürlichen Kulisse des Matterhorns, wird zwischen dem 9. Juli und dem 29. August das Theaterstück "The Matterhorn Story" aufgeführt – die ganze spannende Geschichte der Erstbesteigung.

[O-Ton Edith Zweifel:]
"Das ganz Besondere: Die Taugwalders in fünfter Generation spielen ihre Vorfahren. Das ist der Josef Taugwalder, heute der Vater, und sein Sohn David Taugwalder, die spielen Peter und Peter Taugwalder von der Erstbesteigung. Die wurden motiviert von der Regisseurin, die auch das Stück geschrieben hat, die ging da bei der Tür klopfen: 'Hallo, Leute, spielt eure Vorfahren!' Das ist sehr rührend, diese Geschichte, und auch wirklich einmalig."

Vor allem deshalb, weil die Taugwalders lange Zeit stigmatisiert waren, nachdem Whymper ihnen die Schuld am Tod ihrer Bergkameraden gegeben hatte. Auch im Theaterstück wird diese Frage nicht restlos geklärt, aber es gibt eine klare Tendenz:

Peter Taugwalder sen.*)
Peter Taugwalder jun.*)
Edward Whymper*)

[O-Ton Edith Zweifel:]
"Das Stück ist den Zermatter Bergführern gewidmet. Da sieht man, wem die Sympathien gelten, weil Edward Whymper, der sogenannte Erstbesteiger, der Engländer, der da diese ganze Dynamik reinbrachte, der galt ja bis jetzt immer als DER Erstbesteiger des Matterhorns, und heute ist es eher so, dass man sagt, wegen den Einheimischen ist es überhaupt gelungen, und das waren die Taugwalders."

Doch es war nun mal ein Brite, der als erster den Gipfel erreichte. Drum hat man zum Jubiläum Königin Elizabeth II. als Ehrengast eingeladen. Bisher gibt es zwar noch keine Zusage, aber auch keine Absage. Also hofft man in Zermatt weiter, dass die Queen ihrem Landsmann die Ehre erweist, wenn der Berg ruft.

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UNGLÜCK IM GLÜCK
- die tragischen Helden der Erstbesteigung

Kein Wunder, dass sie zu (Freilicht-)Bühnenehren kommen – denn wenn das keine theaterreife Geschichte ist: Eben waren sie noch Helden, standen als erste Menschen überhaupt auf dem 4.478 m hohen Matterhorn, blickten erschöpft, aber siegesbewusst, auf die herannahenden Italiener hinab, und kaum hatten sie den Rückmarsch angetreten, waren sie tot. Nur etwa hundert Meter unterhalb des Gipfels rutschte der junge Engländer Douglas Hadow aus, kam zu Fall und riss drei seiner Bergkameraden mit sich. Der Zermatter Bergführer Peter Taugwalder bildete zusammen mit seinem Sohn, der ebenfalls Peter hieß, und Edward Whymper das Ende der Gruppe. Geistesgegenwärtig wickelte er das Seil, mit dem sie alle verbunden waren, um einen Felsblock und verhinderte damit, dass auch sie abstürzten. Das Gewicht der vier Männer weiter unten war jedoch zu groß für das Seil. Es riss entzwei, und die Unglücklichen fielen rund tausend Meter in den Abgrund.
Wer aber waren die tragischen Helden, deren Triumph in der Katastrophe endete?

Theaterreife Geschichte

Der Engländer Douglas Hadow war erst 19 Jahre jung und hatte wenig Erfahrung im Klettern. An der Expedition nahm er teil, weil er die Herausforderung suchte. Sein Schuhwerk war selbst für die Zeit primitiv und zum Bergsteigen ungeeignet. Einer seiner (zwei ungleichen) Schuhe hatte nicht mal eine geriffelte Sohle. Dass gerade er auf dem schneeglatten Untergrund ausrutschte, überrascht deshalb kaum.

Douglas Hadow*)

Der schottische Lord Francis Douglas war mit 18 Jahren sogar noch etwas jünger als Hadow. Er hatte aber schon Erfahrungen in den Schweizer Bergen gesammelt. So war ihm im dritten Versuch die Erstbesteigung des Ober Gabelhorns (4.063 m) bei Zermatt gelungen. Dennoch wird vermutet, dass Whymper ihn vor allem deshalb mitnehmen wollte, weil er wohlhabend war und einen Teil der Expedition finanzierte.

Lord Francis Douglas*)

Der englische Reverend Charles Hudson war 36 Jahre alt und ein sehr erfahrener Alpinist. Er hatte zum Beispiel als erster im Alleingang den Mont Blanc bezwungen. Den jungen Douglas Hadow betrachtete er als seinen Schüler.

Charles Hudson*)

Der Franzose Michel Croz aus Chamonix war zum Zeitpunkt des Unglücks 35 Jahre alt und ein erfahrener Bergführer. Es wird berichtet, dass er beim Aufstieg zum Matterhorn an der Spitze der Seilschaft ging, Whymper sich aber kurz vor dem Ziel vom Seil löste, um Croz zu überholen und als erster aus der Gruppe den Gipfel zu erreichen. Auch beim Abstieg marschierte Croz vorneweg. Hadow fiel auf ihn und brachte ihn zu Fall, woraufhin auch Hudson und Lord Douglas mitgerissen wurden.

Michel Croz*)

 

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ILLUMINATION UND FEUERWERK
- weitere Glanzpunkte im Jubiläumsprogramm

Von Anfang Juni bis Ende August 2015 steht Zermatt ganz im Zeichen des Jubiläums.
Zu den Höhepunkten gehört die Wiedereröffnung der renovierten Hörnlihütte. Als "Base Camp Matterhorn" ist sie jetzt ein moderner und bequemer Ausgangspunkt für alle Alpinisten, die wie schon die Pioniere von 1865 über den legendären Hörniligrat aufsteigen wollen. Die Route wird am 13. Juli, also am Vorabend des eigentlichen Jahrestages, mit Fackeln festlich illuminiert.
Am 14. Juli selbst weiht Zermatt einen "Walk of Climb" ein. In Anlehnung an den berühmten "Walk of Fame" in Hollywood werden dort alle Bergsteiger verewigt, die am Matterhorn Besonderes geleistet haben. Und zum Abschluss der Festwoche am 18. Juli gibt es ein Volksfest mit großem Feuerwerk.

Auch das italienische Breuil-Cervinia im Aostatal feiert vom 10. bis zum 19. Juli 2015 den 150. Jahrestag der Erstbesteigung. Schließlich stand nur drei Tage nach Edward Whymper & Co. die italienische Seilschaft um Jean Antoine Carrel als zweite auf dem Gipfel. Von der Lesung im Freien über Blaskonzerte bis hin zu geführten Bergtouren reicht die Palette der Feierlichkeiten auf der Matterhorn-Südseite.

 

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Hinweis:

*) Foto mit freundlicher Genehmigung von Zermatt Tourismus

 

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