Hamburg
AUF DER REEPERBAHN ABENDS NACH 8
- die Historische Huren-Tour auf St. Pauli
Es gibt alles, was man sich vorstellen kann, und alles, was man sich nicht vorstellen kann. Die Rede ist vom Hamburger Stadtteil St. Pauli, dem Kiez, dem Rotlichtviertel am Hafen. Seit Jahrhunderten ist hier die Prostitution zu Hause, seit 2002 sogar vollkommen legal. Wie das angeblich älteste Gewerbe der Welt nach St. Pauli kam, wie es sich im Laufe seiner langen Geschichte veränderte und wie es heute organisiert ist – über all das klärt die Historische Hurentour auf. Sachlich und seriös, aber auch mit viel Humor und einer Prise Erotik. Der Rundgang hat sich zu Deutschlands beliebtester Themenführung entwickelt. Dreimal die Woche, von Donnerstag bis Samstag, startet die zweistündige Tour an der Davidwache, dem Polizeirevier auf der "sündigsten Meile der Welt"!
Reportage (Radio hr4, 13.08.2011):
[Musik: "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" von Hans Albers]
Halb eins ist es zwar noch nicht, erst acht Uhr abends, aber die ersten Mädchen stehen schon Spalier und lauern auf Kundschaft. Bislang ist wenig los. Nur am Start der Historischen Hurentour herrscht großes Gedränge, aus dem zwei rote Hasenohren hervorragen. Sie sind Teil des Kostüms von Gästeführerin Daniela Wempner alias Rahab nach einer Prostituierten aus dem Alten Testament. Ihr Kostüm ist die Hurentracht des 16. Jahrhunderts.
[O-Ton Rahab:]
"Die Schamfarben waren früher gelb und rot, und diese Farben mussten auch die Schausteller, die Henker und damals auch schon die Juden tragen. Die Farben konnten wie bei mir hier im Kleid vorkommen, sie konnten aber auch Flicken nur sein, die draufgenäht wurden, oder Bänder, die herabhingen. In einigen Ländern gab es einen roten Kragen, und hier in Hamburg war die rote typische Hurenkappe. So ein bisschen Vorläufer des Playboy-Häschens, nicht wahr?"
Ihr langes Kleid lässt nur die Knöchel frei, aber selbst das habe früher als hocherotisch gegolten, erklärt Rahab schmunzelnd.
Heutzutage müssten die Frauen schon mehr nackte Haut zeigen, um die Männer in Wallung zu bringen. Aber daran herrscht kein Mangel rund um die Reeperbahn.
Der Amüsierbetrieb scheint ein lohnendes Geschäft zu sein. Und das seit mehr als 300 Jahren. Die ersten Kunden waren Matrosen, die nach vielen Monaten auf See in St. Pauli wieder an Land gingen.
"Wenn hier ein Schiff in den Hafen einkehrte, dann sind natürlich sofort alle Mädchen an den Hafen gestürmt und wollten auf das Schiff. Das war für die Kapitäne natürlich ein rotes Tuch und darum haben sie auf dem Anlieger einen Strich gezogen. Dieser Strich bedeutete: Bis auf diesen Strich dürfen die Mädchen gehen, weiter nicht. Und dieser Strich ist unser 'auf den Strich gehen'."
Das tun, streng genommen, auch die Mädchen in der Herbertstraße, selbst wenn sie nicht gehen, sondern stehen und zwar in bodenlangen Schaufenstern, den so genannten Schotten. Einige von ihnen bieten ganz spezielle Dienste an, auch bizarre Sado-Maso-Rituale. In die Herbertstraße dürfen nur Männer rein. Passantinnen müssen mit Beschimpfungen oder gar Wurfgeschossen rechnen.
[O-Ton Rahab:]
"Früher hatten die Mädchen immer die Wasserspritzpistolen der Kinder, die waren mit Urin gefüllt, und damit wurden die Damen beschossen. Das hagelte natürlich Anzeigen, darum haben die Frauen davon wieder ein bisschen Abstand genommen, aber es ist nicht schön, dort neugierige Blicke hineinzuwerfen."
Und weil die Tourteilnehmer überwiegend weiblich sind, meiden wir die verbotene Zone und steuern lieber die Kult-Kneipe "Nachtschicht" in der Gerhardstraße an. Hier gibt's zum Abschluss für alle ein Schnäpschen.
Inzwischen ist es 10 Uhr durch. An der Davidwache stehen inzwischen andere Mädchen. Die Nacht von St. Pauli hat längst begonnen.
[Musik: Hans Albers]
"Auf der Reeperbahn nachts um halb eins,
ob du'n Mädel hast oder hast kein's,
amüsierst du dich,
denn das findet sich
auf der Reeperbahn nachts um halb eins.
Wer noch niemals in lauschiger Nacht
einen Reeperbahnbummel gemacht,
ist ein armer Wicht,
denn er kennt dich nicht,
mein St.Pauli, St.Pauli bei Nacht."
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