St. Petersburg (Russland)
EINE BOOTSFAHRT DURCH DAS "VENEDIG DES OSTENS"
Peter der Große (1682 – 1721) war der erste russische Zar, der sein bis dahin abgeschottetes Reich nach Westen hin öffnen wollte. In jungen Jahren bereiste er Deutschland und Holland und absolvierte dort eine Ausbildung zum Schiffszimmermann. Wieder zurück in Russland, gründete er eine neue Hauptstadt mit Zugang zur Ostsee und nannte sie St. Petersburg – nach seinem Schutzpatron, dem Apostel Petrus. In dem sumpfigen Gelände gab es zunächst keine Straßen, sondern nur Wasserwege. Zu den vorhandenen Flüssen Newa, Mojka und Fontanka ließ der Zar unzählige Kanäle bauen, von denen einige noch heute erhalten sind. Deshalb wird St. Petersburg mit Recht als "Venedig des Ostens" bezeichnet. Und um die alte Zarenstadt zu entdecken, ist das Boot nach wie vor ein probates Mittel.
Reportage (Radio SWR4 RP, 12.01.2020):
"Liebe Gäste", warnt ein Schild auf dem Ausflugsboot, "es gibt 500 Brücken in St. Petersburg, aber Sie haben nur einen Kopf." Drum müssen wir ihn jedes Mal einziehen, wenn das Boot sich einer der niedrigen Brücken nähert. So wie vor der Pewtscheski-Brücke über die Mojka, die auch Sängerbrücke genannt wird.
[O-Ton Bootstour 1:]
"Diese Sänger-Brücke ist die zweitbreiteste in unserer Stadt – 70 Meter. Also, St. Petersburg wurde gebaut von Peter dem Großen nach dem Vorbild von vielen holländischen Städten, wo auch viel Wasser ist, und es wurde auch gewünscht von Peter dem Großen, dass alle Gäste und alle Bürger immer mit einem Boot fahren."
Diesem Ukas des Zaren beugen wir uns doch gerne. Noch einmal müssen wir uns ganz klein machen, bevor wir durch das schmale "Wintergräbchen" am Winterpalast, dem ehemaligen Residenzschloss, vorbei in die Newa einbiegen.
"Die Newa ist eigentlich kein besonders langer Fluss, nur 74 km lang, entspringt im Ladogasee und mündet in den Finnischen Meerbusen. Der Finnische Meerbusen ist ein Teil der Ostsee, und so war der Wunsch von Peter dem Großen erfüllt, eine Stadt an einer See zu bilden."
Nicht lang ist die Newa, aber etwa so breit wie der Rhein bei Mainz. An ihren Ufern ein architektonisches Juwel neben dem anderen: Die Peter-Paul-Festung, Keimzelle der Stadt, die Eremitage mit der drittgrößten Kunstsammlung der Welt, das Admiralitätsgebäude mit seinem spitzen Turm und die Isaakskathedrale mit ihrer vergoldeten Kuppel – um nur einige zu nennen. Sie alle zeugen von längst vergangener Zaren-Prunksucht.
[Atmo-Ton Bootstour 3:]
"Während der sowjetischen Zeit, gleich nach der Revolution, das alles wurde nationalisiert, alle Paläste wurden staatlich erklärt, und in diesen allen Palästen waren entweder die Kulturhäuser errichtet oder irgendwelche Forschungsinstitute oder Bibliotheken oder Archive oder Museen, und im Gebäude der Admiralität ist heute die Marineakademie."
Im 2. Weltkrieg wurden viele Paläste zerstört, doch schon unmittelbar danach wiederaufgebaut. Mehr als zweitausend sollen es sein. Und einige konnten wir bei unserer Bootstour bewundern.
[O-Töne Touristen:]
"Es ist eigentlich überraschender, als ich gedacht hab. Dass so viel erhalten ist. Da ist ja fast noch alles da."
"Da die vielen Paläste, ist wunderschön, bin total begeistert von der Stadt."
"Das ist natürlich ein Erlebnis, das man sonst so in seinem Leben eher selten hat."
Am Ende der Tour können wir sogar noch eine erfreuliche Bilanz ziehen: Keiner hat sich am Kopf verletzt – den niedrigen Petersburger Brücken zum Trotz.
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SPEKTAKEL FÜR NACHTEULEN
- die Brückenregatta auf der Newa
Eine Bootsfahrt durch St. Petersburg an sich ist schon ein Spektakel. Getoppt wird es noch von der Brückenregatta, die sich nachts auf der Newa abspielt. Die Brücken über den Strom sind zwar bei weitem nicht so niedrig wie die über die Mojka und die Kanäle, sie sind aber trotzdem nicht hoch genug, um Hochseeschiffe durchzulassen. Damit sie auf ihrem Weg von der Ostsee zum Ladogasee nicht in St. Petersburg jäh gestoppt werden, wurden die Newabrücken als Klappbrücken gebaut. Tagsüber bleiben sie geschlossen, um den Autoverkehr nicht zu behindern, doch in der Nacht werden sie nach einem festgelegten Takt hochgeklappt, damit die großen Handelschiffe passieren können.
Auf diesen Moment warten auch hunderte von kleinen Booten. Sie sammeln sich zu den bekannten Uhrzeiten vor den Brücken, bringen sich in eine möglichst günstige Position und starten schließlich zu einem Wettrennen, sobald die Klappen hochgehen. Das Procedere wiederholt sich dann von Brücke zu Brücke. Begleitet wird diese inoffizielle Regatta von klassischer Musik, die aus Lautsprechern an den Ufern der Newa erschallt. Tausende von Schaulustigen beobachten das Spektakel und beneiden die Menschen auf den Booten, die noch ein Ticket erstanden haben. Besonders begehrt sind diese nächtlichen Bootstouren während der "Weißen Nächte" um die Sommersonnenwende herum, wenn es in St. Petersburg nie richtig dunkel wird. Aber auch zu anderen Jahreszeiten ist die Nachfrage groß. Besonders an Wochenenden. Nur im Winter, wenn die Newa zugefroren ist, fällt die Brückenregatta aus.
Wer mit dabei sein will – ob als Passagier oder als Zuschauer – muss ein Nachtschwärmer sein und reichlich Durchhaltevermögen mitbringen. Die Schlossbrücke zwischen Winterpalast und Admiralität macht den Anfang und wird gegen halb 2 Uhr morgens geöffnet, die Kantemirowskij-Brücke zum guten Schluss erst um Viertel vor 3.
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Video:
Brückenregatta in St. Petersburg
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