Kuseler Musikantenland (Rheinland-Pfalz)
EIN MUSEUMSBESUCH NACH NOTEN
- bei den Pfälzer Musikanten auf Burg Lichtenberg
Mitten im Westpfälzischen Hügelland, unweit von Kaiserslautern, liegt die kleine Kreisstadt Kusel. Und vor ihren Toren findet man die im wahrsten Sinne des Wortes größte Attraktion dieses Landstrichs: die Burg Lichtenberg, eine der größten und längsten Burgen Deutschlands. Ursprünglich waren es zwei Burgen, die Ober- und die Unterburg; irgendwann aber wuchsen sie zusammen – auf die stattliche Länge von 425 Metern. Die teilweise restaurierte Burganlage selbst zieht natürlich Scharen von Besuchern an, doch ihre Attraktivität wird noch gesteigert durch das einzigartige Museum in der ehemaligen Zehntscheune. Es erinnert an die Pfälzer Wandermusikanten, die etwa Mitte des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu Tausenden ihre Heimat verließen und ihr Glück in der großen weiten Welt suchten. Sie spielten in Zirkussen, in Militärkapellen, in Kur- und Symphonieorchestern. Arm wie die Kirchenmäuse waren die meisten losgezogen, doch einige kehrten Jahre später als reiche und berühmte Männer in die Pfalz zurück. Heute heißt die Region "Kuseler Musikantenland". Und im Musikantenlandmuseum auf Burg Lichtenberg wird die Tradition der Wandermusiker wieder lebendig – in Wort, Bild und Ton!
Reportage (Radio hr4, 25.08.2007):
Vorhang auf für die Stars der Manege!
Keine Pferdedressur, keine Trapeznummer und keine Clownerie ohne musikalische Begleitung. Und die war einst eine Domäne der Pfälzer Musikanten. Schon im 19. Jahrhundert machten sie sich in den größten Zirkussen Europas einen Namen. Zeitweise waren sie geradezu der Inbegriff des Zirkusmusikanten, erzählt Paul Engel, der Gründer des Musikantenlandmuseums.
"Also, es hieß dort so ähnlich, wie man's später in der Landwirtschaft findet, der 'Schweizer' hat die Kühe zu melken. Der konnte vielleicht 'n Mecklenburger sein, der 'Schweizer', das spielte keine Rolle. Das war 'ne Berufsbezeichnung. Und so waren alle Musiker – selbst, nehmen wir mal 'n Berliner – die hießen 'unsere Pfälzer'. Also, 'Pfälzer' war gleichbedeutend mit Zirkusmusikanten schlechthin."
Sie als "Fahrendes Volk" abzutun, würde den Kuseler Musikanten allerdings nicht gerecht. Viele von ihnen hatten feste Engagements in renommierten Orchestern rund um den Erdball. Sie waren Meister ihres Faches. Sie komponierten, dirigierten – und spielten mehrere Instrumente. So wie Hubertus Kilian aus dem Dorf Jettenbach.
[O-Ton Paul Engel:]
"Er war Posaunist. Und das war so: Wenn jemand ein Blasinstrument spielte, dann hatte er als besonders guter Kenner dieses Blasinstrument zu beherrschen. Daneben aber musste er auch mindestens so gut ein Streichinstrument beherrschen, dass er die Begleitung, wie man sagte, machen konnte."
Schon als neunjähriger Steppke trat Hubertus Kilian im benachbarten Frankreich auf. Später zog er durch ganz Europa, die USA, Australien und sogar nach China. Dort spielte er hauptsächlich vor den Gästen des Hotels Europa in Shanghai.
Der britische General Gordon war begeistert und engagierte den Pfälzer Musikanten als Leiter seiner Militärkapelle. In dieser Funktion nahm Kilian auch an der Niederschlagung eines Aufstands teil, und das brachte ihm zumindest einen wohlklingenden Titel ein.
(O-Ton Paul Engel:)
"Für diese mutige Tat wurde ihm auf Veranlassung, natürlich vom General Gordon, wurde ihm die chinesisch-kaiserliche Militärkapellmeisterschaft angetragen."
Ein weiterer Vorzeigemusikant war Georg Drumm aus Erdesbach. Über England und Irland kam er nach Amerika, gewann einen Musikwettbewerb bei der Weltausstellung in St. Louis 1904, später ging er nach New York, wo er Orchesterleiter im berühmten Revue-Theater der "Ziegfeld Follies" wurde. Zu seinen engsten Freunden und Bewunderern zählte der Chef der Militärkapelle des Weißen Hauses in Washington. Und der spielte eines Tages auch einen Marsch von Georg Drumm – mit ungeahnten Folgen:
[O-Ton Paul Engel:]
"Dieser Marsch hieß 'Hail America', komponiert schon 1917, also im Ersten Weltkrieg, kam aber erst zu Ehren nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde so oft gespielt dann auch bei offiziellen Anlässen, dass man lange Zeit meinte, es sei der offizielle Zeremonienmarsch."
Und "Hail America" erklingt heute noch häufig, wenn der amerikanische Präsident Staatsgäste im Weißen Haus empfängt. Ansonsten aber hat das Kuseler Musikantentum weitgehend an Bedeutung verloren. Dass es nicht ganz in Vergessenheit gerät, dafür sorgt Paul Engel im Musikantenlandmuseum auf Burg Lichtenberg.
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