Paris
WANDERN VON EINEM "BOIS" ZUM ANDERN
- oder: Randonner de la Porte Dauphine à la Porte Dorée
Paris ist die meistbesuchte Stadt der Welt. Allein im ersten Halbjahr 2012 kamen mehr als 40 Millionen Gäste in die französische Metropole an der Seine. Aber die allerwenigsten von ihnen haben Paris zu Fuß erkundet. Dabei gibt es einen offiziellen Wanderweg quer durch die Stadt. Er ist rund 20 Kilometer lang und führt von einem Stadtwald zum andern – entweder vom Bois de Boulogne im Westen zum Bois de Vincennes im Osten oder in umgekehrter Richtung. Die Wanderung beginnt wahlweise an der Métro-Station Porte Dauphine oder an der Station Porte Dorée. Es geht aber nicht auf direktem Weg über die großen Boulevards, sondern im Zickzack-Kurs überwiegend durch kleine Straßen und Grünanlagen. Einige der großen Sehenswürdigkeiten liegen dennoch unmittelbar am Wegesrand. Deshalb am besten zwei Tage einplanen, damit auch noch genügend Zeit für Besichtigungen bleibt.
Wandern – oder auf französisch: randonner – ist sicher eine der anstrengendsten Methoden Paris kennenzulernen, aber auch eine der schönsten.
Reportage Teil A (Radio hr4, 22.09.2012):
[Musik: "Il erst cinq heures, Paris s'éveille" von Jacques Dutronc]
Von wegen fünf Uhr, Paris erwacht! Als wir endlich losmarschieren, steht die Sonne schon hoch am Himmel. Mein Bruder und ich, wir haben uns für unsere Wandertour ausgerechnet das heißeste Wochenende des Jahres ausgesucht. Aber zum Glück spenden die Bäume im Bois de Boulogne wohltuenden Schatten.
Die ersten Kilometer durch den Wald sind noch am ehesten mit einer herkömmlichen Wanderung zu vergleichen. Dann aber überqueren wir die Ringautobahn und tauchen in das Häusermeer der Millionenmetropole ein. Die gelb-rote Wegmarkierung gibt die Route vor, und notfalls hilft ein Blick in die Wanderkarte. Unser erstes Etappenziel ist eh nicht zu übersehen.
[Musik: "Ja, der Eiffelturm, der alte Eiffelturm, ist wunderbar toujours ..." von Séverine]
Sechs Millionen Menschen pro Jahr besuchen das Wahrzeichen von Paris. Gefühlte drei Millionen stehen vor uns in der Schlange, bevor es endlich mit dem Fahrstuhl nach oben geht.
In knapp 300 Meter Höhe angelangt, liegt uns ganz Paris zu Füßen. Ganz Paris? Nein, denn das markanteste Bauwerk im Stadtbild fehlt – nämlich der Eiffelturm selbst. Deshalb schnell wieder runter und weitermarschiert. Der Weg ist noch lang.
[Musik: "Sous le ciel de Paris" von Juliette Gréco]
Unter dem Himmel von Paris ist die Hitze um die Mittagszeit kaum noch zu ertragen. Ein Königreich für eine kühle Erfrischung und einen kleinen Imbiss! Da kommt die Brasserie in der Avenue de Tourville gerade recht.
Von der Brasserie ist es nur noch ein Katzensprung zum Invalidendom – oder "Hôtel des Invalides", wie die Franzosen sagen. In diesem "Hotel" aber liegen nur Tote. Allen voran Napoleon Bonaparte hat hier seine letzte Ruhestätte gefunden.
In einem überdimensionalen Sarkophag, in dem ein Hüne Platz hätte. Dabei konnte der Kaiser der Franzosen bekanntlich kaum über den Tisch gucken. Und von Ruhestätte kann eigentlich auch keine Rede sein – bei den Massen von Menschen, die täglich seinen Sarg umrunden.
Wenigstens ist es kühl in der Krypta. Draußen auf der Straße dagegen brennt die Sonne unbarmherzig herab.
Mit letzter Kraft schleppen wir uns zum Jardin du Luxembourg. Im wohl schönsten Park von Paris gibt es nicht nur ein Schloss, sondern auch viele Bäume und Stühle zum Ausruhen. Dazu hübsche junge Studentinnen von der nahen Sorbonne. Kaum habe ich mich niedergelassen, kommt eine direkt auf mich zu.
[Musik: "Oh, pardon, sind Sie der Graf von Luxemburg?" von Dorthe Kollo]
Ein Mann von Welt? Na, klar doch! Aber ein Graf? Nicht wirklich.
Hey, wer rüttelt denn da an meiner Schulter? Verwirrt schrecke ich auf und starre in das Gesicht – meines Bruders! Oh, pardon. Ich bin wohl kurz eingenickt, und die hübsche Studentin war nur ein Traum. Aber wir sind schließlich in Paris, und da ist das wahrscheinlich total normal...
[Musik: "Ganz Paris träumt von der Liebe" von Caterina Valente]
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Reportage, Teil B (Radio hr4, 22.09.2012):
[Musik: "Marseillaise"]
Nationalstolz ist in Frankreich nichts Anrüchiges. Schon gar nicht, wenn es um die großen Dichter und Denker der Grande Nation geht. Im Pariser Panthéon sind sie beigesetzt, die sterblichen Überreste der Rousseaus und Voltaires. Das Mausoleum mit der gewaltigen Kuppel, die an den Petersdom in Rom erinnert, ist unser erstes Etappenziel am zweiten Wandertag in der französischen Hauptstadt. In kurzen Filmsequenzen werden dort Frankreichs große Männer und ihre Verdienste vorgestellt. – Es sind tatsächlich fast alles Männer. Nur eine einzige Frau hat es ins Panthéon geschafft: die Physikerin und Nobelpreisträgerin Marie Curie – und die war eine gebürtige Polin.
Durch schmale Gassen im Studentenviertel Quartier Latin wandern wir weiter zum Jardin des Plantes.
[Musik: "Fleur de Paris", auf dem Akkordeon gespielt von Christa Behnke]
"Fleur de Paris" heißt diese Melodie – "Blume von Paris", und davon gibt es reichlich im Botanischen Garten. Dazu fast ebenso viele Jogger trotz der Gluthitze an diesem Sonntagvormittag im August.
Die gelb-rote Wegmarkierung führt uns an der Salpêtrière vorbei, der größten Nervenklink von Paris. Im 19. Jahrhundert galt sie als Europas renommierteste Irrenanstalt, wie man damals noch sagte. Auch Sigmund Freud wurde hier ausgebildet.
Wir überqueren das Schienengewirr der Gare d'Austerlitz, eines der sechs Pariser Bahnhöfe. Benannt wurde er nach einem Dorf in Mähren, Schauplatz einer siegreichen Schlacht von Napoleon. Bei uns in Deutschland wäre sowas wohl kaum denkbar – dass man einen Bahnhof nach einer Schlacht benennt. Aber wir haben ja auch die meisten bedeutenden Schlachten verloren ...
[Musik: "Aux Champs-Elysées" von Joe Dassin]
Jenseits der Seine führt der Wanderweg an einer vielbefahrenen Ausfallstraße entlang. Außer dem Autolärm hat sie mit einer Prachtstraße wie der Champs-Elysées nicht viel gemein. Bonjour, tristesse! Die schönen Ecken von Paris liegen hinter uns, industriell geprägte Außenbezirke vor uns.
Ein künstlicher Bachlauf im Parc de Bercy wenigstens gibt uns die Möglichkeit unsere Füße zu kühlen. Danach folgen die letzten Kilometer bis zum Bois de Vincennes.
Keine Frage, der zweite Tag der Wanderung durch Paris war nicht so spektakulär wie der erste. Und nach 20 Kilometern in den Beinen fühle ich mich ziemlich matt, die Füße sind wundgelaufen, der Kopf brummt von der Hitze. Aber alles in allem war es eine wundervolle Wandertour, und nein, ich bereue nichts!
[Musik: "Non, je ne regrette rien" von Edith Piaf]
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Hinweis:
Den genauen Routenverlauf des Wanderwegs durch Paris gibt's unter: http://www.gr-infos.com/grp-paris.htm
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