Liechtenstein 3

DARF ICH WAGEN, ARM UND GELEIT EUCH ANZUTRAGEN?
- mit Dichterfürst Goethe durch Vaduz

Im Jahre 1788 besuchte auch Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe das Fürstentum Liechtenstein. Auf dem Rückweg von seiner berühmten Italien-Reise machte er für eine Nacht Station in Vaduz. Nach Liechtensteiner Interpretation hat er seine Eindrücke in der "Novelle" verewigt. Fest steht, dass er Mitglieder des Fürstenhauses in Rom kennen gelernt hatte und auch später noch mit ihnen regen Kontakt pflegte. Welche Eindrücke aber würde der Herr Geheimrat mitnehmen, wenn er heute noch einmal zu Besuch käme, haben sich die Liechtensteiner gefragt? Die Antwort erfährt man bei einem Rundgang durch Vaduz per Audioguide. Stadtführerin Anna zeigt dem Dichterfürsten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Hauptortes. Mit dem Gerät am Ohr können Touristen die beiden begleiten und ihrem Zwiegespräch lauschen.

Reportage (Radio hr4, 14.10.2006):

[zum Anhören klicken: Audioguide, Ankunft Goethe]

(Anna:) "Herr Geheimrat von Goethe?"
(Goethe:) "Lassen Sie die Förmlichkeiten beiseite, mein Kind. Nennen Sie mich einfach Exzellenz."

Nachdem die Anrede geklärt ist, machen sich "Exzellenz" und Stadtführerin Anna auf zu ihrem zweistündigen Rundgang. Start ist am Vaduzer Rathaus, wo heute eine Gedenktafel an Goethes ersten Besuch erinnert. Aber da halten sie sich nicht lange auf.

[Audioguide:]
(Goethe:) "Ich höre schon des Dorfs Getümmel. Hier ist des Volkes wahrer Himmel. Zufrieden jauchzet groß und klein. Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein."

Und so wandeln sie durchs "Städtle", die Vaduzer Fußgängerzone. Hier ist auch das Postmuseum. Die Philatelie hat immer eine große Rolle gespielt im kleinen Fürstentum und ist bis heute eine wichtige Einnahmequelle. Zweimal wurden auch Briefmarken mit Goethes Ebenbild herausgegeben. Als Anna sie dem Dichter im Museum zeigt, ist er nicht schlecht erstaunt, denn zu seiner Zeit, da war die Briefmarke noch gar nicht erfunden.

Gedenktafel am Vaduzer Rathaus
Goethe als Briefmarke
Gasthof "Löwen"

[zum Anhören klicken: Audioguide]

(Goethe:) "Potzblitz! Und wo bekomme ich diese Marken?"
(Anna) "Mit etwas Glück in der Post. Das ist das große braune Gebäude vis-à-vis. Aber auch wenn Sie Ihr Konterfei dort nicht mehr bekommen sollten, so finden Sie sicher viele andere schöne Motive."
(Goethe) "Die Botschaft hör' ich wohl ..."
(Anna) "Dort können Sie die Briefmarke auch gleich auf eine Postkarte kleben, dann wird sie abgestempelt, und in wenigen Tagen trifft sie bei Ihren Bekannten in Deutschland ein."
(Goethe) "... Allein mir fehlt der Glaube."

Am Ende der Fußgängerzone stoßen sie auf die Vaduzer Kathedrale St. Florin. Bis 1997 war sie eine ganz gewöhnliche Pfarrkirche. Dann erhob Papst Johannes Paul II. Liechtenstein zum Erzbistum. An dieser Stelle muss Anna einfach die Gretchen-Frage stellen.

[Audioguide:]
(Anna:) "Aber, nun sagen Sie mal, Herr Goethe, wie haben Sie's denn mit der Religion?"

Doch der Geheimrat macht ein rechtes Geheimnis daraus. Ziemlich kleinlaut reagiert er auch, als die Rede auf seinen früheren Aufenthalt in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 1788 kommt. Er kann sich nicht mehr erinnern, in welchem Gasthaus er abgestiegen ist.

(Audioguide:]
(Goethe:) "Das Alter. Das Menschenleben ist seltsam eingerichtet. Nach den Jahren der Last hat man die Last der Jahre."

Zimmer im "Löwen"
Kathedrale St. Florin
"Rotes Haus" im Oberdorf

Anna führt ihn zum "Löwen", dem ältesten Gasthof Liechtensteins. Damals wie heute das erste Haus am Platz und sogar eines Herrn Geheimrats würdig.

[Audioguide:]
(Goethe:) "Da würde ich in der Tat jeden Liechtensteiner verstehen, wenn er angesichts dieses Gebäudes spräche: 'Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.'"

Gemeinsam genehmigen sie sich noch ein Gläschen Wein in der Fürstlichen Hofkellerei, dann geht es hinauf ins Oberdorf. Auf dem steilen Anstieg kommt der alte Goethe ein wenig außer Atem. Aber der herrliche Ausblick auf die Schweizer Berge entschädigt ihn für die Mühsal und er gerät sogar ins Schwärmen.

[zum Anhören klicken: Audioguide]

(Goethe:) "Über allen Gipfeln ist Ruh', in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch. Zauberhaft!"

Die gute Anna hat es geschafft, den großen Dichter für das kleine Fürstentum zu begeistern. Und wer weiß, wenn er heute nochmal im Sterben läge, vielleicht würde er seine letzten Worte ja anders wählen: Statt "Mehr Licht!" – "Mehr Liechtenstein!"

 

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Hier geht's weiter zum Fürstensteig und der Reportage Liechtenstein 4.