Kampanien 2

ANSTRENGEND UND DOCH ERFRISCHEND
- eine Wanderung an der Amalfi-Küste

Die "Costiera amalfitana" ist die wohl spektakulärste Steilküste Italiens und entsprechend beliebt bei Touristen. In den malerischen Fischerorten zwischen Positano und Vietri sul Mare herrscht deshalb ein Gewimmel und Gewusel, das seinesgleichen sucht. Dies gilt auch und ganz besonders für Amalfi selbst. Manche mögen vielleicht den Trubel, aber wer ihm entgehen möchte, dem sei eine Wanderung empfohlen. Zum Beispiel durch das "Valle delle Ferriere", das Tal der Eisenhütten. Denn dorthin kommen die wenigsten der vielen Bus- und Bootstouristen, die Amalfi tagsüber heimsuchen. Und es verspricht ein Naturerlebnis der ebenso anstrengenden wie erfrischenden Art zu werden.

Reportage (Radio SWR4 RP, 07.07.2019):

[Atmo: Straßenlärm in Amalfi]

In der schmalen Hauptstraße von Amalfi herrscht dichtes Gedränge. Aber da müssen wir durch, im wahrsten Sinne des Wortes. Zu Anfang geht es nur leicht bergauf. Unser Wanderführer Angelo Rocco nutzt die Gelegenheit, um etwas über die Geschichte des Tals zu erzählen. Im Mittelalter wurde hier aus Baumwolle wertvolles Büttenpapier hergestellt.

[O-Ton Angelo Rocco:]
"Col tempo si come la carta ...
Mit der Zeit wurde das Papier aus Amalfi sehr begehrt, weil es von hoher Qualität war. Es wurde zunächst in Form von Lappen produziert und dann getrocknet. Ein Stück weiter oben im Tal werden wir die Trocknungsanlagen sehen. Außer Papier wurde hier auch Eisen hergestellt. Das Erz kam aus der Toskana, von der Insel Elba, und hier wurde es verarbeitet.
… qui è lavorata."

Daher auch der Name "Valle delle Ferriere". Die Eisenhütten sind verschwunden, bis auf eine auch die Papierfabriken. Aber sie alle nutzten das Wasser des kleinen Rio Canneto, dessen Verlauf wir von nun an folgen.

Touristengedränge in Amalfi
Ehem. Papierfabrik
Zitronenhain

{zum Anhören klicken: O-Ton Angelo Rocco]

"Adesso, per corso …
Unser Weg führt über viele Stufen hinauf. Lasst uns gemütlich gehen, immer schön langsam bergauf. Unterwegs werden wir an vielen Zitronenplantagen vorbeikommen. Hier wachsen die berühmten Zitronen von Amalfi. Daraus wird Limonade gemacht oder Likör, der Limoncello.
… il liquore, il limoncello."

[Atmo: Treppensteigen]

Die hohen Stufen verlangen uns schon einiges an Kondition ab. Zum Glück liegt auf halbem Wege eine Art Straußwirtschaft. Die bietet so ziemlich alles an, was man aus Zitronen machen kann. Zum Beispiel Granita. Einer aus der Wandergruppe war schon öfter in der Gegend und kennt sich aus.

[O-Ton Wanderer:]
"Die 'Granita di limone', das ist ein Halbgefrorenes, also es ist noch flüssig, aber nicht mehr ganz flüssig, und es ist Zucker drin, und es ist natürlich unglaublich erfrischend, unbeschreiblich gesund, weil hier im Tal hat es gute Luft, gutes Wasser, keine chemischen Zusätze, keine Schadstoffe in der Luft. Das ist quasi das Paradies noch auf Erden."

Erfrischende Zitronen-Granita
Wasserfall am Wegesrand
Herrliche Aussicht auf Amalfi

Nach der kurzen Rast geht es weiter hinauf, durch ein Naturschutzgebiet mit seltenen Pflanzen und an mehreren Wasserfällen vorbei, wo man im Sommer sogar baden kann. Unser Ziel ist ein Aussichtspunkt mit dem wohl schönsten Blick auf Amalfi. Die Gruppe ist begeistert:

"Bellissimo."
"Traumhaft."
"Atemberaubend."
"Das ist wie eine Postkarte."
"Den Aufstieg wert, auf jeden Fall. Sehr, sehr schön."

Und nach dem steilen Aufstieg folgt der steile Abstieg. Morgen werden wir wahrscheinlich alle ein wenig Muskelkater haben.

 

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IN EINER LIGA MIT VENEDIG UND GENUA
- die mittelalterliche Seerepublik Amalfi

Beim Anblick der kleinen Stadt Amalfi mit gerade mal fünftausend Einwohnern fällt es schwer zu glauben, dass sie früher in einer Liga mit Venedig und Genua spielte. Hier geht es allerdings nicht um Fußball, sondern um politische und wirtschaftliche Macht. Im Mittelalter nämlich war Amalfi das Zentrum einer Seerepublik ähnlich wie die beiden heutigen norditalienischen Großstädte, die Jahrhunderte lang den Handel rund um das Mittelmeer beherrschten. Amalfi war sogar die erste italienische Seerepublik überhaupt. Der prunkvolle Dom Sant'Andrea zeugt noch heute von den glorreichen Zeiten.
Weil es an der felsigen Küste wenig fruchtbares Land gab, um Ackerbau zu betreiben, konzentrierten sich die Amalfitaner schon im frühen Mittelalter auf den Seehandel. Anno 846 trug ihre Flotte maßgeblich dazu bei, dass ein Angriff der Sarazenen auf Rom abgewehrt werden konnte. 920 erlangte Amalfi seine Unanhängigkeit vom Oströmischen Reich, das damals auch Süditalien beherrschte, und gründete eine eigene Republik mit einem Dogen an der Spitze. Neben der Stadt Amalfi selbst gehörten auch die Nachbarorte Atrani, Ravello, Maiori und Minori dazu. 956 wurde die Republik in ein Herzogtum umgewandelt. In seinen besten Zeiten unterhielt Amalfi Handelsstützpunkte im gesamten Mittelmeerraum von Córdoba im heutigen Spanien über Kairo in Ägypten bis nach Konstantiopel, dem heutigen Istanbul in der Türkei. Die wichtigsten Exportgüter waren Eisen, Holz und Sklaven. Dafür brachten die amalfitanischen Schiffe beispielsweise Gold, Seide und Baumwolle von ihren Reisen mit nach Hause.
Im 12. Jahrhundert wurde Amalfi von den rivalisierenden Pisanern überfallen und geplündert. Dabei verlor es seine politische Unanbhängigkeit an Pisa. Das wirtschaftliche Aus kam mit einem verheerenden Tsunami im Jahre 1343, der die Stadt komplett zerstörte. Von dieser Katastrophe erholte sie sich nie wieder. Erst mit dem ansteigenden Tourismus nach dem Zweiten Weltkrieg begann Amalfi wieder aufzublühen. Heute lebt es überwiegend vom Fremdenverkehr.

 

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