Jangtsekiang 3
SAN XIA DABA
- der Damm des nationalen Stolzes
Viele Male in seiner Geschichte hat der Jangtsekiang für verheerende Überschwemmungen gesorgt; Millionen von Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Deshalb gab es in China schon vor Jahrzehnten Pläne für einen Staudamm, um den Strom zu bändigen. Aber immer wieder kam etwas dazwischen: Kriege, Bürgerkriege, knappe Kassen, die Angst vor einem Atomschlag. So dauerte es bis zum Jahr 1993, bis das Mammutprojekt in Angriff genommen wurde. Bei der Stadt Sandouping, zwischen der östlichen und der westlichen Xiling-Schlucht, entstand die größte Talsperre der Welt: der Drei-Schluchten-Staudamm San Xia Daba (gesprochen San Chiá Dàbà). Seit 2006 ist das Bauwerk vollendet, bis Ende 2009 soll auch die maximale Stauhöhe des Jangtse-Wassers erreicht sein.
Jahrelang war das Projekt weltweit heftig umstritten. Denn rund anderthalb Millionen Menschen mussten umgesiedelt werden. Ganze Städte versanken in den Fluten, mit ihnen wertvolle Kulturgüter – von den Schäden an der Natur ganz zu schweigen.
Doch jetzt, wo der Mega-Staudamm fertig ist, hat er sich zu einem Symbol des nationalen Stolzes entwickelt. Und längst ist er zu einer Touristenattraktion geworden. Allein 2008 kamen zehn Millionen Besucher. Auch die Kreuzfahrtschiffe auf dem Jangtse machen am San Xia Daba Station.
Reportage (Radio hr4, 17.10.2009):
Auf der Aussichtsplattform an der Dammkrone herrscht dichtes Gedränge. Ganze Heerscharen von chinesischen Touristen versammeln sich um ihre Fähnchen schwenkenden Reiseführer. Für uns deutsche Kreuzfahrer ist Zhou Liping zuständig, genannt Mark. Und wenn man ihm glauben darf, ist der Damm ein großer Segen – vor allem für die Schifffahrt.
[O-Ton Mark:]
"You know, in the past shipping in the gorges …
In der Vergangenheit war es sehr schwer für die Schiffe in den Schluchten. Es gab viele gefährliche Riffe und Strudel. Aber durch den Damm ist der Wasserstand gestiegen, das macht das Navigieren leichter. Und erst seit der Damm gebaut wurde, können Frachtschiffe die gesamte Strecke befahren von Wuhan bis Chongqing.
… from Wuhan to Chongqing City."
Mark nimmt uns mit zum Besucherzentrum auf einem Hügel, wo man das gewaltige Bauwerk in seiner ganzen Dimension überblicken kann: 2,3 Kilometer lang, 185 Meter hoch und an der Basis 130 Meter breit. In seinem Wasserkraftwerk erzeugen 26 Turbinen mehr als 18 Gigawatt Strom.
[O-Ton Mark:]
"You know, in the future …
Künftig werden bis zu fünf Prozent der gesamten Energie in China von diesem Kraftwerk produziert. Wir versorgen damit die ganze Küstenregion um Shanghai. Diese Energie ist sehr umweltfreundlich. Bisher gewinnt China 70 Prozent seiner Energie aus Kohle und damit wird die Luft stark verschmutzt. Wasserkraft ist viel besser als Kohle.
… no pollution, right?"
Natürlich war nicht zu erwarten, dass die chinesische Regierung einen ausgewiesenen Staudamm-Kritiker auf westliche Touristen loslassen würde, aber Mark wirkt auch nicht wie ein Betonkopf. Er selbst wurde mit seiner Familie umgesiedelt und lebt erst seit kurzer Zeit hier in Sandouping.
[O-Ton Mark:]
"We are very glad to remove ...
Wir sind sehr froh, dass wir in die neue Stadt gezogen sind. Meinen Eltern allerdings ist der Umzug nicht leicht gefallen. Wie das Sprichwort sagt: Ob Osten, ob Westen, daheim ist’s am besten.
... the home is the best."
Der jungen Generation fällt die Umgewöhnung offenbar leichter. Endlich moderne Wohnungen mit Strom, fließend Wasser und WC. Von den vielen neuen Jobs rund um den Staudamm ganz zu schweigen. Solche Argumente sind schwer zu entkräften. Auch unsere Befürchtung, durch den höheren Wasserstand des Jangtse könnten die Drei Schluchten an Reiz verloren haben, versucht Mark uns zu nehmen.
[O-Ton Mark:]
"In the gorges it has changed …
In den Schluchten hat sich die Landschaft nur wenig verändert. Die Berge drumherum sind sehr hoch, bis zu 2.000 Meter. Das Wasser ist um rund 100 Meter gestiegen. Das sind nur ein paar Prozent.
… small percentage of the scenery."
Bei allem Stolz auf den Staudamm, einen Nachteil hat er aber doch, gibt Mark zu: Die Schifffahrt muss jetzt fünf Schleusenkammern passieren, und das dauert mehr als vier Stunden. Uns Kreuzfahrern allerdings kann es egal sein, denn wir haben ja alle Zeit der Welt.
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