Israel 2

DER SCHLAF DER GERECHTEN
- Übernachtung im Kibbuz-Hotel

Gerade mal ein Jahr nach Tel Aviv, nämlich 1910, gründeten Zionisten den ersten Kibbuz auf dem Boden des heutigen Staates Israel – ein landwirtschaftliches Kollektiv, das die Wüste fruchtbar machen wollte. Die meist sehr jungen Pioniere waren voller Idealismus. Basisdemokratie und Gerechtigkeit galten als oberste Gebote. Nicht die Leistung, sondern die Anzahl der Kinder bestimmte den Lohn. Eine Lebensform, die auf Ideen des Sozialismus beruhte – und die zumindest zeitweise tatsächlich funktionierte. Heute gibt es rund 1.700 dieser Kibbuzim, das einstige Ödland grünt und blüht. Aber von der Landwirtschaft allein können viele nicht mehr leben, deshalb betreiben sie nebenbei Fabriken – oder Hotelanlagen. In einem solchen Kibbuz-Hotel können Touristen oft preiswert übernachten, ohne auf den üblichen Hotelkomfort verzichten zu müssen. Zudem liegen sie zumeist in den landschaftlich reizvollsten Gegenden Israels.

Reportage (Radio hr4, 06.09.2008):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Der Blick aus dem Fenster lässt Urlaubsträume wahr werden. Hier am See Genezareth soll Jesus viele Wunder bewirkt haben. Die Ferien-Bungalows im Kibbuz-Hotel Maagan sind nur einen Steinwurf vom See entfernt. Dazu Palmen, Oleander und ein großer Swimming-pool. Da ist es KEIN Wunder, dass die Gäste begeistert sind:

[O-Ton Touristin:]
"Wunderschön. Ich kam mir vor wie im Paradies. Modern ausgestattete Bungalows, Grill neben dem Haus, Stühle, 'ne Riesen-Rezeption, wunderbares Essen, lauter frische Lebensmittel – optimal!"

Auch Torsten Reibold, ein gebürtiger Hesse, der für den Dachverband der Kibbuzbewegung, Havatzelet, arbeitet, sieht in den Kibbuz-Hotels eine wunderbare Alternative:

[O-Ton Torsten Reibold:]
"Wenn man aus dem Hotel ins Kibbuz 'rausgeht, tritt man wirklich ins Grüne. Man hat Rasen vor sich, in diesem Fall dann den See Genezareth. Man hat fünf Minuten, bis man am Wasser ist, und die Atmosphäre ist einfach viel ruhiger. Von der Qualität unterscheiden sich die wenigsten Kibbuz-Hotels heute noch von den großen professionellen Hotelketten, wie man sie in den Tourismuszentren findet."

Vieles hat sich geändert seit der Zeit der Pioniere. Im Kibbuz Yakum bei Tel Aviv zeigt uns Amir Har-Gil, wie die ersten Bewohner gelebt haben.

[O-Ton Amir Har-Gil:]
"That was the place for the children…
In diesem Gebäude waren die Kinder untergebracht. Sie lebten den ganzen Tag hier und durften ihre Eltern nur zwei Stunden am Nachmittag besuchen. Ihr ganzes Leben spielte sich hier ab, und die Eltern wohnten weiter unten im Kibbuz.
… kibbutz which is further down."

Kibbuz-Hotel Maagan
Kibbuz Yakum zu Beginn
Kibbuz Yakum heute

Der Kibbuz Yakum wurde 1947 gegründet. Anfangs schliefen die Mitglieder in Zelten, später in Gemeinschaftsunterkünften aus Holz. Es gab klare Regeln, an die sich alle halten mussten. Wollte ein junges Paar mal für wenige Minuten ungestört sein, musste es einen Besen vor die Tür stellen.

[O-Ton Amir Har-Gil:]
"If suddenly you come back from somewhere and you see that the broom is upside-down, make another walk."

Wenn man nach Hause kam und der Besen auf dem Kopf stand, erzählt Amir Har-Gil, hieß das, mach’ noch einen kleinen Spaziergang. Er selbst lebt seit mehr als zwanzig Jahren im Kibbuz – in der eigenen Mietwohnung mit Frau UND Kindern. Denn die werden längst wieder von den Eltern erzogen, der Lohn wird nach Leistung gezahlt. Viele Kibbuzniks arbeiten sogar in Tel Aviv und wohnen nur noch hier. Aber manche der alten Ideale blieben erhalten.

[O-Ton Amir Har-Gil:]
"In the kibbutz we have more justice …
Im Kibbuz herrscht mehr Gerechtigkeit. Wir leben in der Natur, und irgendwie ist es noch immer wie in einer großen Familie. Man ist nicht so einsam wie in der Stadt.
… not lonely like in the city." 

Also, bleiben wir noch eine Weile in unserem Kibbuz-Hotel am schönen See Genezareth. Und wer weiß – vielleicht färben ja einige der Ideale auf uns ab.

 

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