Hunsrück 1
DER SCHINDERHANNES-SOONWALD-RADWEG
- von Gemünden nach Simmern
Der Soonwald ist sozusagen die Fortsetzung des Taunus auf der linken Rheinseite. Noch heute sind weite Teile dieses Hunsrück-Randgebirges von tiefen Wäldern bedeckt. Hier haben sich der Schinderhannes und seine Kumpane nach ihren Raubzügen besonders gerne versteckt. Ganz im Westen des Soonwalds liegt die kleine Stadt Gemünden. Hoch oben auf dem Berg thront ihr malerisches Schloss, unten im Tal beginnt der Schinderhannes-Soonwald-Radweg. Er führt über Mengerschied, Tiefenbach und Riesweiler bis nach Simmern. Dabei gilt es zwar manchen Anstieg zu bewältigen, doch weil die gesamte Strecke nur 16 Kilometer lang ist, bleibt Zeit und Kondition für den einen oder anderen Abstecher. Schließlich hat sich auch der Schinderhannes nicht an vorgeschriebene Routen gehalten, sondern durchstreifte den Hunsrück so, wie es ihm gefiel.
Reportage (Radio hr4, 09.08.2008; rbb-INFOradio, 30.08.2008):
[Atmo Pfeifen: "Im Wald, da sind die Räuber"]
Frohgelaunt treten wir in die Pedale und los geht’s – hinter Gemünden dem Wegweiser mit dem Schinderhannes-Kopf folgen und dann mitten hinein in den Räuberwald. Irgendwo rechts und links des Radwegs hatte der Schinderhannes seine Schlupfwinkel. Wir jedoch verlassen schon bald den dunklen Wald und machen einen Schlenker nach Sargenroth. An der Nunkirche empfängt uns Eva-Maria Schneider, die "Marie-Goot" aus der Hunsrück-Saga "Heimat". Hier auf dem Friedhof sind die toten Serienhelden begraben. Und auch die Marie-Goot steht neben ihrem eigenen Grabstein, dabei ist sie quicklebendig:
[O-Ton Eva-Maria Schneider:]
"Des is’n wunderschönes Gefühl, denn wer kann das denn schon? Normalerweise sieht man die Blumen von unten, und ich seh’ sie von oben."
Die Fernsehserie hat Eva-Maria Schneider und den Hunsrück weltweit bekannt gemacht. In drei Staffeln dokumentierte "Heimat" das Leben der kleinen Leute von der Zeit nach dem 1. Weltkrieg bis in die Neunziger Jahre. Und zwar unverblümt, so wie die Hunsrücker eben sind.
[O-Ton Eva-Maria Schneider:]
"Gut, die Hunsrücker Mentalität, die sin' net grad' so überschwänglich, aber es sin' Leute wie andere auch, un' bei artgerechter Haltung is' ganz gut mit ihne' auszukomme'."
Einmal wird auch der Räuberhauptmann erwähnt. Eine Französin kommt in das "Heimat"-Dorf Schabbach und spricht mit dem "Glasich Karl".
[O-Ton Eva-Maria Schneider:]
"Und dann erzählt er was vom Schinderhannes, was die junge Französin aber nun gar net versteht und fragt: 'Schinderhannes?' Er lacht und sacht: Die kennt de Schinderhannes net! Schinderhannes, 200 Jahr' dot, Kopp ab, von de Franzose'."
Hinter der Nunkirche sieht man in der Ferne die beiden Türme des Hunsrückdoms von Ravengiersburg. Den müssen wir uns anschauen, meint Eva-Maria Schneider. Also fahren wir hinüber und treffen Pater Michael Knappe. Die Stiftskirche, erzählt er, wurde schon im 12. Jahrhundert von Augustinermönchen erbaut:
(O-Ton Pater Michael Knappe:)
"Damals waren noch viel mehr Wälder, und von Sargenroth aus hätte man das nicht gesehen. Aber jetzt hat man die Weite des Landes, und dann sieht man den Hunsrückdom schon 10, 15 Kilometer weit. Wenn die Sonne auf das Dach scheint, dann sieht es aus wie Silber, und an manchen Tagen sieht man die Dachfläche kaum, weil sie dann mit dem Dunkel der Fichtenwälder verschmilzt."
Eine romanische Kirche dieser Dimension würde man in dem kleinen Dorf nicht vermuten. Ebenso wenig einen barocken Hochaltar. Der ganze Stolz des Paters aber ist in den beiden Türmen verborgen und wird bei einem flüchtigen Besuch leicht übersehen.
[O-Ton Pater Michael Knappe:]
"Wir sind hier in der guten Stube unseres Domes, in der Michelskapelle, und wir hören den wunderschönen Klang, die Akustik in diesem Raum: Halleluja, halleluja…"
Doch so schön er singt, der Herr Pfarrer, wir müssen wieder los. Zurück zum Schinderhannes-Soonwald-Radweg und dann weiter nach Simmern. Dorthin, wo der Räuberhauptmann im Kerker saß und wo ihm seine abenteuerlichste Flucht gelungen ist.
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