Die Großen Seen 4

MORDSGAUDI
- auf den Spuren von Al Capone in Chicago

Die Metropole schlechthin an den Großen Seen ist Chicago. Eine faszinierende Millionenstadt. Zweimal pro Woche wird die herrliche Skyline am Ufer des Michigansees von einem prächtigen Feuerwerk illuminiert. Berühmte Architekten haben reichlich Spuren hinterlassen. Aus den Kneipen tönt der Chicago Blues. Alles gute Gründe, um Chicago zu besuchen. Aber ihren Mythos verdankt die Stadt vor allem ihrer – gar nicht so ruhmreichen – Vergangenheit, als Mafiosi und andere Gangster die Straßen unsicher machten. Das offizielle Chicago will daran längst nicht mehr erinnert werden. Doch der Mythos ist nicht tot zu kriegen. Drum sind die inoffiziellen Stadtrundfahrten auf den Spuren von Al Capone & Co. meist ausgebucht. Denn sie versprechen jede Menge Grusel und jede Menge Fun. Eine Mordsgaudi eben.

Reportage (Radio hr3, 21.04.2002):

[Atmo Tour-Bus: "Everybody sing along now ... funiculi funicula."]

An Bord des Tourbusses herrscht eine Stimmung wie auf einem Weinfest. Und das ganz ohne Alkohol. Schließlich befinden wir uns in der Zeit der Prohibition, als Alkohol in Amerika verboten war, der Schwarzhandel dafür umso mehr blühte. Ein Millionengeschäft, das Männer wie Al Capone – genannt "Scarface" – steinreich machte.

[Atmo-Ton Don Fielding:]
"Al had another nickname ...
Al, erfahren wir, hatte noch einen anderen Spitznamen: Snorky. In den Zwanziger Jahren bedeutete das soviel wie 'elegant'. Und er war elegant. Er trug seidene Anzüge für 500 Dollar. Deshalb kaufte er gerne auf der Michigan Avenue ein – so wie die meisten Leute heute noch, weil hier die feinen Geschäfte sind. Da kam er dann mit einer dicken Zigarre und einer noch dickeren Brieftasche und ging shoppen. Hier auf der 'magnificent mile', der 'prächtigen Meile'. So wird die Michigan Avenue genannt wegen der Preise, die Sie hier zahlen müssen.
... because of the prices there."

Wenn Don Fielding und Wayne Tahlin, die beiden Tourbegleiter, so richtig in Fahrt kommen, bleibt kein Auge trocken. Mit rabenschwarzem Humor lassen sie Chicago 1937 wieder aufleben. Und dabei fließt das Blut in Strömen – so wie bei der Schießerei in einem Blumenladen, bei dem einer der rivalisierenden Gangster mitten ins Herz getroffen wurde:

[Atmo-Ton Don Fielding:]
"The heart, you know ...
Das Herz, wissen Sie, da schießt das Blut geradezu heraus. So als würden sich Kinder eine Schlacht mit Wasserpistolen liefern. Das spritzt wie 'Old Faithful', der Geysir im Yellowstone Nationalpark. Also, das Herz, sag' ich Ihnen, das blutet stärker als die Leber von Dean Martin.
... Dean Martin's liver."

Schräge Gangster-Tour

Deftige Kost, was die beiden Herren da so auftischen. Aber anscheinend so recht nach dem Geschmack der Touristen. Denn am Ende sind alle begeistert:

[O-Töne Touristen:]
"It was really great."
"Very nice."
"I loved it."
"Oh, it was tremendous, thank you."
"It was excellent. I didn't understand all English, though it was excellent."

Diese Kommentare braucht man nicht zu übersetzen. Umso erstaunlicher, dass der Bürgermeister von Chicago diese Gangster-Touren auf den Index gesetzt hat. Sie schaden angeblich dem Image der Stadt. Man schämt sich seiner kriminellen Vergangenheit. Don Fielding und sein Partner Wayne Tahlin aber sind sogar ein bisschen stolz darauf und lassen sich ihre Tour nicht vermasseln:

[O-Ton Wayne Tahlin:]
"If you go to Dallas ...
Wenn sie nach Dallas in Texas kommen, wollen Sie Cowboys sehen. In Chicago wollen Sie Gangster sehen. So wie in Deutschland jemanden in Lederhosen. Oder? Wir wollen einfach Spaß. Als würde man sich einen Gangsterfilm im Kino ansehen. Das ist die ganze Idee dabei. Und darum gefällt es den Leuten.
... why people like it."

[Atmo Tour-Bus: "...funiculi funicula..."]

 

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Hier geht's zu den Niagara-Fällen und zur Reportage Die Großen Seen 5.