Tour de Franken 1
ROKOKO, TIEPOLO UND UNESCO
- Prolog: die Residenz in Würzburg
Keine Tour de France ohne einen Prolog, der noch vor der ersten Etappe am jeweiligen Startort des Radrennens ausgetragen wird. Und auch bei einer "Tour de Franken" mit Start in Würzburg wäre es geradezu sträflich, diese schöne Stadt gleich wieder zu verlassen, ohne sie zuvor ausgiebig erkundet zu haben. Deshalb empfiehlt es sich, einen Tag früher anzureisen, dann bleibt genügend Zeit für einen Rundkurs (schon per Rad oder noch zu Fuß) in der Perle Unterfrankens. Denn es gibt eine Fülle von Sehenswürdigkeiten – allen voran die Residenz der Würzburger Fürstbischöfe. Sie gilt als eine der bedeutendsten Barockschlösser Europas und wird oft in einem Atemzug mit Versailles bei Paris und Schönbrunn bei Wien genannt. Das Meisterwerk des seinerzeit noch unbekannten Architekten Balthasar Neumann wurde später im Stil des Rokoko ausgebaut, vom damals schon berühmten italienischen Künstler Giovanni Battista Tiepolo ausgemalt und 1981 von der Unesco als Weltkulturerbe ausgewiesen.
Reportage (Radio hr4, 25.07.2009):
[Barockmusik]
Barocke Klänge liegen förmlich in der Luft, wenn man den prächtigen Palast betritt. Erst noch piano im eher gedrungen wirkenden Vestibül, dann zu einem crescendo ansteigend, wenn man vor dem Treppenhaus mit seinem imposanten Deckengewölbe steht. Der Venezianer Tiepolo hat dort eines der größten Fresken der Welt gemalt. An den Seiten die vier damals bekannten Kontinente, symbolisch dargestellt.
[O-Ton Florian Brunn:]
"Links in der Ecke, da ist jemand mit 'ner roten Kappe auf dem Kopf, der so 'n bisschen nach vorne linst, und das ist Giovanni Battista Tiepolo. Europa als Kontinent der Kunst und der Kultur, da darf er natürlich als Maler des Freskos auch nicht fehlen."
Unser Gästeführer Florian Brunn geleitet uns durch die prunkvollen Gemächer – den Weißen Saal, den Kaisersaal und natürlich das Spiegelkabinett. Nach Ansicht der Unesco ist es eines der vollkommensten Raumkunstwerke des Rokoko, doch das wissen offenbar nicht alle Besucher zu schätzen.
[O-Ton Florian Brunn:]
"Nach sechseinhalb Jahren Gästeführung kann ich sagen, dass die Reaktion eigentlich immer so ausfällt: Die Gäste kommen ins Spiegelkabinett, sind erstmal begeistert von dem ganzen Gold, das sie sehen, jedoch kann man sagen, im Schnitt nach 15 Sekunden findet eigentlich jeder, dass es sehr überladen, sehr kitschig ist, und bisher in der Geschichte der Führungen war nur eine österreichische Gruppe, die zu 100 Prozent das Spiegelkabinett wirklich gemocht haben."
Am Barock scheiden sich eben die Geister. Die ganz mit Gold und Marmor ausgeschmückte Hofkirche der Residenz ist heute die beliebteste Hochzeitskapelle in Würzburg. Florian Brunn allerdings teilt die Begeisterung nicht wirklich:
[O-Ton Florian Brunn:]
"Ich kann Ihnen nur sagen, dass eben der Großteil der Hochzeiten hier stattfindet, was dazu führt, dass an manchen Vormittagen hier wirklich eine Braut der anderen die Klinke in die Hand gibt, schon die nächste Hochzeitsgesellschaft draußen wartet. Ich denke, ich würde 'nein' sagen wahrscheinlich in der Kirche, aber das liegt wohl daran, dass es wirklich zu viel und zu barock für mich ist."
Dann also doch lieber hinaus in den Hofgarten. Denn von außen, meint unser Gästeführer, macht die Residenz am allermeisten Eindruck – und braucht sich hinter ihrem französischen Vorbild nicht zu verstecken:
[O-Ton Florian Brunn:]
"Ich find’ die Würzburger Residenz, ohne hier übertreiben zu wollen, durch ihre Kompaktheit wesentlich schöner als Versailles. Versailles ist, wenn Sie es von vorne sehen, so unübersichtlich, uneinheitlich, eigentlich gar nicht typisch für den Barock, weil Barock ist Symmetrie ganz stark, und das hat man hier in der Residenz eigentlich viel besser gelöst."
Und die Symmetrie erstreckt sich auch auf die Gartenanlagen. Na, dann setzen wir uns doch ganz adagio auf eine Bank und lassen das barocke Gesamtkunstwerk auf uns wirken, ehe wir morgen mit dem Rad auf große Tour gehen.
[Barockmusik]
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*) © Bayerische Schlösserverwaltung
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