Easy Rider 1
HIGHWAY-RITTER (TEIL A)
- von San Francisco zum Grand Canyon
Wir sind neun Deutsche – vier Frauen und fünf Männer – mit unterschiedlicher Motorraderfahrung. Dazu ein Reiseleiter von Biketours, der im Begleit-Van hinterherfährt. 3.000 Meilen liegen vor uns: von San Francisco in Kalifornien bis Vancouver im kanadischen British Columbia. Nicht auf dem direkten Weg, sondern in einem großen Bogen, vorbei an den größten Sehenswürdigkeiten des amerikanischen Westens – den schönsten Naturwundern und den faszinierendsten Städten.
Reportage (Radio hr3, 17.08.1997):
[Musik: Titelmusik aus "Die Straßen von San Francisco"]
Die vielleicht schönste Stadt der Welt – Golden Gate, Alcatraz, Chinatown. Jeder kennt San Francisco aus zahllosen Kinofilmen und Fernsehserien. Keine andere Stadt eignet sich besser für spektakuläre Verfolgungsjagden, denn keine bietet atemberaubendere Straßen. Sie sind so steil, dass ein eigenes Verkehrsmittel dafür erfunden werden musste. Heutzutage ist es zwar nur noch eine Touristen-Attraktion, aber was für eine! Da kommen sogar eingefleischte Biker ins Schwärmen.
[O-Ton Motorrad-Tourist Guido:]
"Am schönsten war für mich eigentlich die Fahrt mit der Cable Car durch die Stadt. Es war halt schönes Wetter, und es war – da ich draußen auf dem Trittbrett gestanden hatte – war das wie so 'n Fliegen durch die Stadt. Und das war so einer meiner schönsten Eindrücke."
[Atmo: Cable Car]
(O-Ton Motorrad-Tourist Hans):
"Allein schon mit dieser Cablecar da durchfahr'n, das war aufregend. Also, wie Achterbahn fahr'n, nur stehend, ne?"
Die kalifornische Weltstadt am Pazifik ist Ausgangspunkt unserer dreiwöchigen Tour. Von dort geht es zunächst in südöstlicher Richtung zum Yosemite Nationalpark. Wir müssen hoch hinauf über die Gipfel der Sierra Nevada, dann ganz hinunter ins "Tal des Todes". Und weiter, immer schnurgeradeaus durch die Wüste von Nevada. Der Fahrtwind bläst wie ein heißer Fön, die Landschaft ist an Monotonie kaum zu überbieten, der Highway scheint kein Ende zu nehmen. Und dennoch fühle ich mich wie im Rausch.
[Musik: "Good Morning Starlight" aus dem Musical "Hair"]
Dieser Song aus dem Musikfilm "Hair" geht mir nicht aus dem Sinn. In der Szene fahren die Hippies im offenen Wagen durch die unendliche Weite irgendwo im Südwesten der USA – und sie sind unheimlich gut drauf. Ich summe die Melodie stundenlang vor mich hin. Motorradfahren hat mir niemals mehr Spaß gemacht.
[Atmo: Spielcasino, klingende Münzen]
Welcher Kontrast bietet sich uns in der Glitzerwelt von Las Vegas! Wie eine Fata Morgana ist das Mekka der Glücksritter plötzlich aus dem Wüstensand aufgetaucht. Und jetzt sind wir mittendrin. Bunte Neonlichter machen die Nacht zum Tag. Die Spielcasinos übertrumpfen sich gegenseitig mit immer neuen Attraktionen. Da rasen Achterbahnen um die Spieltische herum, da werden weiße Tiger weggezaubert und ganze Seeschlachten inszeniert. Die perfekte Show, ganz im Dienste der Einarmigen Banditen. Wohl dem, der da widerstehen kann.
[O-Ton Motorrad-Touristin Anke:]
"Es is' faszinierend, aber nix für mich (lacht). Man kann sich's mal anschauen, aber das war wohl nix für mich."
[Musik: "Viva, Las Vegas" von Elvis Presley]
Wir lassen uns von Glitter und Glamour nicht blenden, die Dollars bleiben in der Tasche. Nach einer Nacht in Las Vegas ist sich die Gruppe weitgehend einig.
[O-Töne Motorrad-Touristen Britta und Guido:]
"Mehr Schein als Sein. Des isch überhaupt net meine Stadt."
"Das is' artificial bullshit. Das is' nicht meine Natur. Ich bin da durchgegangen und hab' gestaunt. Ja, und das war's dann auch. Und ich war froh, wie ich wieder rausgefahr'n bin."
Zurück zur Natur. Nach der gigantischsten Spielhölle der Welt erwartet uns nun das gigantischste Loch – der Grand Canyon im Norden von Arizona. Dort, wo sich der Colorado-Fluss kilometertief in den roten Sandstein gefressen hat.
[O-Ton Motorrad-Tourist Hans:]
"Wenn man bedenkt, wieviel Millionen Jahre es gebraucht hat, um so auszusehen. Das is'... Wahnsinn is' das!"
[Atmo: Dokumentarfilm]
Und weil man nur zu Fuß der gewaltigen Schlucht auf den Grund gehen kann, nicht aber mit dem Motorrad, schauen wir uns den Dokumentationsfilm im Besucherkino an. Erst auf der Großbildleinwand wird die ganze Dimension des Canyons sichtbar. Wie klein und vergänglich sind wir dagegen! Es fällt schwer, sich von dem einmaligen Naturwunder loszureißen, doch wir müssen weiter. Die Zeit drängt, und Amerika hat ja noch sooo viel im Angebot ...
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