Dilltal 3

GUT HOLZ!
- ein Rundgang durch die Fachwerkstadt Herborn

Mit historischen Altstädten ist das Dilltal reich gesegnet. Den besterhaltenen Stadtkern aber hat zweifellos Herborn aufzuweisen. Mehr als 400 Fachwerkhäuser bilden ein homogenes Ensemble, das weit und breit seinesgleichen sucht. Politisch stand Herborn lange im Schatten der nassauischen Residenzstadt Dillenburg, aber wirtschaftlich hatten die Herborner schon früh die Nase vorn. Wohlstand und Bürgerstolz fanden ihren Ausdruck in repräsentativen Bauten. Gutes Holz aus dem nahen Westerwald war reichlich vorhanden und günstig zu haben. So entschied man sich für die Fachwerk-Bauweise. Eine kluge Entscheidung, von der das Stadtbild noch heute profitiert. Und bei einem geführten Rundgang erfährt man auch viele interessante Dinge, die sich hinter der Fachwerkkulisse verbergen.

Reportage (Radio hr4, 22.03.2014):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Der heutige Marktplatz von Herborn war früher der Buttermarkt. Hier steht das stolze Rathaus der Stadt. Und als es gebaut wurde, Ende des 16. Jahrhunderts, haben die Bürger viel Geld reingebuttert. Das zeigt sich auch am so genannten Prunksaal, der "guude Stubb" von Herborn. Die wurde schon damals genutzt für festliche Empfänge aller Art. Einmal, berichtet Birgit Ernst vom Stadtmarketing, war sogar der Prinz von Oranien zu Gast.

[O-Ton Birgit Ernst:]
"Es musste dann bei der größten Familie im Ort eine Tischdecke ausgeliehen werden, weil das Rathaus selbst keine besaß in der Größe, und der Hausherr, dem diese Tischdecke gehörte, kam zufällig neben diesem Prinzen Wilhelm von Oranien zu sitzen, und als der leicht angesäuselte Prinz sich in dem Tischtuch verfing, sagte der Hausherr dann in breitestem hessischen Platt: 'Hier kannste ruhisch druffdobbeln, des schad naut.' Also, das schadet nix. War ja seine eigene Tischdecke, das wusste der Prinz natürlich nicht."

Das Rathaus allerdings versteckt sein Fachwerk hinter Schieferplatten. Der Westerwald ist eben eine raue Gegend, da wollen die Fassaden gegen Wind und Wetter geschützt werden. Dennoch liegt das Fachwerk bei den meisten Häusern offen. So auch bei dem Hotelgebäude, das einst die Hohe Schule beherbergte. In der Zeit nach der Reformation war sie die erste Akademie in Deutschland, die dem calvinistischen Glauben anhing. Und sie verlieh Herborn ein gewisses internationales Flair.

Herborner Rathaus
Ehem. Hohe Schule
Corvinsche Druckerei

[O-Ton Birgit Ernst:]
"Dadurch dass es die einzige reformierte Einrichtung war, ist es eben zu einem starken Zustrom von Studenten aus verschiedensten Nachbarländern auch gekommen, natürlich auch viele deutsche Studenten, also insgesamt waren hier über 5000 junge Herren am Studieren im Laufe der Jahrhunderte, zwischen 1584 und 1817. In besten Zeiten über 200 Studenten."

Im Sog dieser Hohen Schule kam auch der Buchdrucker Corvin zu Ruhm und Ehre. Er brachte die erste reformierte Bibel heraus, benannt nach dem Herborner Theologie-Professor Piscator. Und damit nicht genug:

[O-Ton Birgit Ernst:]
"Der Schwiegersohn von Corvin, der hat versucht, das ganze Wissen seiner damaligen Zeit in ein Buch zu packen. Das wäre heute so wie Wikipedia, kann man sich vorstellen, wäre natürlich heute wesentlich dicker, das Buch, und das war die sogenannte 'Herborner Encyclopaedia'. Die ist auch hier zum Beispiel von Corvin dann gedruckt worden.

Das Anwesen der Familie gehört zu den größten und schönsten Fachwerkbauten der Stadt. Nur ein einziges altes Bürgerhaus ist aus Stein: das "Staanern Haus" in der Hauptstraße. Aber auch hier stand ursprünglich ein Fachwerkgebäude:

"Staanern Haus"
"Seufzerbrücke" aus Holz
Fachwerk am Marktplatz

[O-Ton Birgit Ernst:]
"In diesem Haus war früher ein Krämergeschäft untergebracht, und der Ladenbesitzer hatte im ganzen Haus Waren gelagert verschiedenster Art und dummerweise auch ein Fässchen Schwarzpulver. Das explodierte dann, als ein kleines Feuer ausbrach, und da flog das ganze Dach weg und das Haus brannte dann ab."

Das Unglück geschah Anfang des 19. Jahrhunderts. Holz war inzwischen knapp geworden, und so wurde das Haus in Stein wieder aufgebaut. Die Epoche des Fachwerks ging zu Ende. Zum Glück wird die Erinnerung daran in Herborn bis heute liebevoll bewahrt.

 

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