Dilltal 2

LIEBE MACHT BLIND
- die Zuchthengste im Landgestüt von Dillenburg

Landgestüte gab es früher auch in Weilburg, Kassel, Darmstadt und Wiesbaden. Dillenburg ist das letzte verbliebene in Hessen. Seit dem späten 18. Jahrhundert bereits werden im ehemaligen Hofgarten der Fürsten von Nassau-Oranien Hengste gezüchtet. Schon damals konnten Pferdehalter ihre Stuten hier im Dilltal gegen eine Gebühr decken lassen. Und so geschieht es heute noch. Blind vor Liebe, bespringen die Zuchthengste alles, was ihnen in die Quere kommt. Wer die prachtvollen Tiere kennen lernen will, der kann das Hessische Landgestüt auf Voranmeldung besichtigen. Und zweimal im Jahr – an zwei aufeinander folgenden Sonntagen im September – lädt das Gestüt zur Hengstparade ein. Da zeigen die edlen Rösser vor großem Publikum, dass sie außer Fortpflanzung noch einiges mehr draufhaben.

Reportage (Radio hr4, 22.03.2014):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Menschen, Tiere, Sensationen: Die Hengstparade in Dillenburg ist ein buntes Spektakel.  Dressur, Springen, Fahrsport – es wird von allem was geboten.

Doch wenn nicht gerade Hengstparade ist, geht es ruhiger zu auf dem Hessischen Landgestüt. Da stehen die Pferde meist in ihren Boxen und genießen den Luxus um sie herum – mit Kacheln an den Wänden und automatischer Tränke. Den wackeren Tieren soll es an nichts fehlen.

[O-Ton Henning Hofmann:]
"Wir sehen auch, dass die Pferdchen hier Höhensonne haben, sie werden nicht mehr so oft trockengestriegelt, das passiert unter dem Licht von 25 Lampen, das tut den Tieren auch gut, und ich habe gehört, ab und zu stellt sich auch eine unserer schönen Mädchen da mit drunter und wärmt sich selbst."

Der geräumige Stall, erzählt Stadtführer Henning Hofmann weiter, stammt noch aus oranischer Zeit. Das Landgestüt umfasst 12 Gebäude, aber das Geld wird im allerkleinsten verdient. Das ist die Besamungsstation. Ganz unromantisch erfüllt hier der Hengst seine eigentliche Aufgabe. Statt einer leibhaftigen Stute erwartet ihn heutzutage meist ein lebloses Gestell, das an einen Turnbock erinnert. Aber das ist ihm egal.

Fahrsport bei der Hengstparade
Höhensonne statt Striegelei
Stutenattrappe aus Metall und Leder

[Atmo: wiehernder Hengst]

[O-Ton Henning Hofmann:]
"Man sagt ja: Liebe macht blind. Und er merkt nicht, dass er vor dem so genannten Phantom steht, einer Stutenattrappe aus zwei Metallbeinen und etwas Leder, und in seiner Rage, in seinem Willen sich fortzupflanzen, merkt der Hengst gar nicht, was er besucht."

Und dann lässt er sich nicht lange bitten. Sein Samen wird in einer ebenfalls künstlichen Scheide aufgefangen, von Tierärzten untersucht und dann tiefgefroren an die Stutenbesitzer verschickt. Das System scheint zu funktionieren. Frank Stecher, der Leiter der Besamungsstation, kann stolz sein auf einige seiner Schützlinge:

Frank Stecher mit "Casscoltairo"
Zuchthengst "Dartagnan"
Vielleicht ein kommender Olympiasieger

[O-Ton Frank Stecher:]
"Also der beste und vom Alter her, sag' ich jetzt mal, das ist der 'Adamello'. Der ist jetzt 20 Jahre, und der ist noch relativ fit, der hat auch noch 'ne gute Dichte und auch noch gutes Volumen. Und der beste Deckhengst, den wir haben, war dieses Jahr der 'Casscoltairo', das ist ein Springhengst, den haben wir gepachtet, und der hat die meisten Stuten dieses Jahr gedeckt."

Unter den Nachkommen der Dillenburger Deckhengste findet sich so mancher Champion. Ein gewisser "Don Turner", Sohn von "Dartagnan", gehörte sogar zur deutschen Dressur-Equipe bei den Paralympics in London. Und wer weiß, vielleicht wird ja eines Tages nicht nur auf der Hengstparade, sondern auf großer internationaler Bühne die deutsche Hymne für ihn gespielt…

[zum Anhören klicken: Atmo "Don Turner" bei der Hengstparade]

 

__________________________________________________

HUFSCHMIED
- ein aussterbender Beruf?

Nein, ganz im Gegenteil, meint Otmar Schuch, seines Zeichens Hufschmied des Hessischen Landgestüts in Dillenburg. Und er hat natürlich alle Hände voll zu tun. Die Pferde des Gestüts müssen im Schnitt alle sechs bis acht Wochen beschlagen werden. Und jedes braucht sein ganz spezielles Hufeisen. Ein Fahrpferd wird anders beschlagen als ein Reitpferd, ein Springpferd wieder anders als ein Dressurpferd. Daneben erfüllt Otmar Schuch noch andere Aufgaben, zum Beispiel Kutschen und Schlepper reparieren. Das alles schafft er gar nicht alleine. Drum hat er einen Lehrling, der ihn unterstützt. Die Nachfrage ist groß, sagt er, sogar ein Mädchen habe er schon ausgebildet. Und er macht ein bisschen Werbung für seinen Beruf, der sehr vielseitig sei. Irgendwo zwischen Pferdeschuster und Fußdoktor stuft er sich ein. Auch um die Zukunft müsse keinem Hufschmied bange sein. Reiten liege im Trend, an zu beschlagenden Pferden herrsche kein Mangel, auch außerhalb des Landgestüts. Deshalb kann er jungen Leuten nur zuraten, seinen Beruf zu erlernen.
Was genau die Ausbildung zum Hufschmied beinhaltet, erklärt er hier:

[zum Anhören klicken: O-Ton Hufschmied Otmar Schuch]

 

__________________________________________________

Hier geht's weiter zur Fachwerkstadt Herborn und der Reportage Dilltal 3.