Costa Rica 4

PIRATENFALLE
- Bootsausflug zur Festung El Castillo

Mit Naturschätzen ist Costa Rica reich gesegnet. Bei den Kulturschätzen sieht es nicht ganz so rosig aus. Baudenkmäler aus der Kolonialzeit etwa wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern gibt es kaum. Das liegt zum einen daran, dass Costa Rica zu Zeiten der Spanier nur eine unbedeutende Provinz war, die von Guatemala aus verwaltet wurde. Zum anderen an häufigen Erdbeben, denen die wenigen vorhandenen historischen Bauten zum Opfer fielen. So gab es im 18. Jahrhundert am Río San Juan, dem heutigen Grenzfluss zu Nicaragua, eine ganze Reihe von Bastionen. Sie sollten die spanischen Goldtransporte sichern gegen den Fluch der Karibik – die englischen Piraten. Die sahen nicht alle so gut aus wie ihr Leinwand-Kollege Johnny Depp alias Captain Sparrow, aber berühmte Namen waren ebenfalls unter ihnen: allen voran Horatio Nelson, der spätere Admiral und Seeheld von Trafalgar.
Von den ehemaligen Bastionen erhalten geblieben ist nur El Castillo de la Inmaculada Concepción, die "Festung der unbefleckten Empfängnis". Sie liegt heute wenige Kilometer hinter der Grenze auf nicaraguanischem Gebiet. In La Fortuna am Fuße des Vulkans Arenal allerdings werden Tagesausflüge angeboten – und zwar mit dem Boot!

Reportage (Radio hr4, 04.02.2012; SWR4 RP, 16.01.2022):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Atmo: Motorboot:]

Der Käpt'n gibt kräftig Gas, denn vor uns liegt ein weiter Weg. Drei Stunden dauert die Bootsfahrt nach El Castillo. Über den Río San Carlos geht es zunächst nach Norden, dann biegen wir in den Río San Juan ein und fahren in westlicher Richtung stromaufwärts. Dichter Dschungel säumt die Ufer. Wir sehen Wasservögel, Krokodile und Affen, aber keine menschliche Siedlung – bis endlich die Festungsruine vor uns auftaucht.

[zum Anhören klicken: O-Ton Museumsführerin Francisca (auf spanisch)]

Leider nur in spanischer Sprache werden Führungen durch das historische Gemäuer angeboten. Unser costaricanischer Tourbegleiter mit dem passenden Namen Pablo Castillo (!) versucht sich als Übersetzer ins Englische:

[O-Ton Pablo Castillo:]
"This one is like baluarte...
Hier stehen wir auf einem baluarte, einem Bollwerk. Die tragen alle Namen von Heiligen, denn die Spanier waren ja streng katholisch. Von hier oben kann man sehr schön die Stromschnellen überblicken. Sie wurden Höllenstrudel genannt. Damals führte der Fluss mehr Wasser.
...used to habe more water."

Bootstour auf dem Río San Carlos
Wir nähern uns El Castillo
Francisca und Pablo

Das Kastell, erfahren wir weiter, wurde an diesen Stromschnellen gebaut, weil die Piratenschiffe hier in der Falle saßen, den spanischen Kanonen kaum entgehen konnten. Schon im 17. Jahrhundert versuchte der berüchtigte Freibeuter Henry Morgan die Festung einzunehmen, aber vergeblich.

[O-Ton Pablo Castillo:]
"That side of the castle…
Auf dieser Seite der Festung ist ein Hügel. Er wird 'Morgan Hill' genannt. Von dort aus attackierte er die Festung mit 200 Mann, wurde aber zurückgeschlagen. Auf dem Hügel ist heute unter anderem ein Schmetterlingsgarten.
…butterfly garden and different things."

Ein knappes Jahrhundert später kamen die Engländer mit 2.000 (!) Mann zurück. Doch bei ihrem nächtlichen Angriff wurden sie ausgerechnet von einer Frau besiegt – Rafaela Herrera, der 19-jährigen Tochter des Festungskommandanten.

[O-Ton Pablo Castillo:]
"Rafaela got her father dead…
Rafaelas Vater war gestorben. Da ließ sie Tücher in Alkohol tränken, anzünden und als brennende Fackeln in die Bäume entlang des Flusses hängen. Durch den hellen Schein fühlten sich die Engländer entdeckt und ergriffen die Flucht. Sie glaubten, dass sie die Schlacht verloren hätten.
…thinking that they lost the battle."

Rafaela Herrera
Touristen in der Festung El Castillo
Stolzer Angler auf dem Río San Juan

Die junge Dame wird seither als Heldin gefeiert. Den nächsten Angriff der Engländer aber konnte auch sie nicht verhindern. 1780 gelang es dem jungen Lord Nelson erstmals El Castillo zu erobern. Doch schon bald musste er wieder abziehen, weil viele seiner Männer vom Gelbfieber hinweggerafft wurden.
Danach verlor die Festung ihre strategische Bedeutung und verfiel allmählich. Erst nach dem Bürgerkrieg wurde die Ruine restauriert, um Touristen anzulocken. Bisher kommen nur wenige, aber die bereuen es nicht:

[O-Ton Tourist:]
"So 'ne Festungsanlage der Spanier hier an dem strategisch wichtigen Punkt, an dem Fluss mit den Stromschnellen, ist von der geschichtlichen Seite her eine ganz interessante Sache.

[Atmo: Motorboot]

Trotzdem machen wir uns anschließend gerne wieder auf den Rückweg nach Costa Rica. Wie einst die Piraten schippern wir den Río San Juan hinab. Die Bootsfahrt durch den dichten Urwald ist mindestens ebenso interessant wie die alte Festung.

 

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