Bulgarien 3

EINE STUFE NÄHER AM HIMMEL
- zu Besuch im Höhenkloster von Rila

Die Alexander-Newski-Kathedrale gilt als Top-Attraktion von Sofia, das Rila-Kloster im gleichnamigen Gebirge als Top-Attraktion von ganz Bulgarien. Viele sagen sogar, dafür allein lohne sich schon die weite Anreise. Wegen seiner einmaligen Lage, seiner einmaligen Architektur und seiner unvergleichlichen Fresken – außen wie innen. Das Kloster wurde im 10. Jahrhundert von dem orthodoxen Heiligen Ioan Rilski gegründet, einem Einsiedler und Wundertäter. In den besten Zeiten lebten mehrere hundert Mönche innerhalb der festungsartigen Mauern. Heute sind es gerade mal noch sechs. Dafür kommen täglich Pilger und Touristen in großer Zahl. Denn hier, in knapp 1.150 m Höhe, können sie sich eine Stufe näher am Himmel fühlen.

Reportage (Radio SWR4 RP, 18.09.2022):

[Zum Anhören klicken: Glockenschlag im Rila-Kloster]

Die Glocken vom mittelalterlichen Wehrturm schlagen die vierte Stunde. Er ist das älteste noch erhaltene Bauwerk des Rila-Klosters. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es durch einen Brand zerstört und anschließend mit Hilfe von Spenden wieder aufgebaut ­– größer und schöner als je zuvor, im für die Zeit typischen byzantinischen Stil. Neben der Kirche und Wohntrakten für Mönche und Pilger gibt es auch ein Klostermuseum. Dort beginnt Nadja Michalowa ihre Führung. Sie zeigt uns religiöse Kultgegenstände aus der tausendjährigen Geschichte des Klosters. Besonders stolz ist sie auf das hölzerne Raphaelskreuz, ein filigranes Meisterwerk der Schnitzkunst, das der Mönch Rafail geschaffen hat:

[O-Ton Nadja Michalowa:]
"It has 36 biblical scenes …
Es enthält 36 biblische Szenen und 600 kleine Figuren und Gesichter. Er benutzte winzige Werkzeuge zum Ausschnitzen. Und als er sein Werk beendet hatte, sagt die Legende, wurde er blind.
… that he went blind."

Höhepunkt der Führung aber ist die Klosterkirche. Hier ruhen die sterblichen Überreste des Heiligen Ioan Rilski und auch die des letzten bulgarischen Königs, Zar Boris' III. Er starb während des Zweiten Weltkriegs. Seine Totenruhe wurde schon bald nach der Beisetzung massiv gestört.

Bildnis von Joan Rilski*)
Wehrturm aus dem 14. Jht.
Raphaelskreuz

[Zum Anhören klicken: O-Ton Klosterführerin Nadja Michalowa auf englisch]

"Suddenly when the communists came …
Gleich als die Kommunisten kamen – sie waren sehr antimonarchisch eingestellt – holten sie den Leichnam heraus. Möglicherweise verbrannten sie ihn oder warfen ihn einfach weg. Doch kurz nach der Wende wurde das Herz des Zaren in einem Glasgefäß gefunden. Sie brachten es hierher, es gab eine zweite Beisetzung, die größte überhaupt in der bulgarischen Geschichte. Und jetzt befindet sich im Grab nur noch das Herz des Zaren.
… only the heart of the tsar is here."

Die Klosterkirche ist mit jeder Menge kostbarer Ikonen ausgeschmückt. Decken und Wände sind mit biblischen Motiven bemalt. Aber auch die Außenmauern gleichen einem bunten Bilderbuch. Zu den größten und schönsten Fresken zählt das Jüngste Gericht. Es zeigt die Bestrafung der ganz schlimmen Finger, die Begnadigung der kleinen Sünder und die Aufnahme der ganz Braven in das Reich Gottes.

Sarkophag von Joan Rilski
Jesus beim Jüngsten Gericht
Spiritualität spürbar

[O-Ton Nadja Michalowa:]
Here on this side is …
Auf dieser Seite ist der Himmel. Hier haben wir die männlichen und die weiblichen Märtyrer. In diesem Teil der Übergang vom Alten zum Neuen Testament. Und ganz oben Jesus Christus mit seiner Mutter Maria und dem Heiligen Johannes.
… to St. John.

In den Himmel, da wollen wir doch alle irgendwie. Durch die Spiritualität, die das Rila-Kloster ausstrahlt, kann man sich am Ende tatsächlich eine Stufe näher fühlen.

 

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Hinweis:

*) In allen Innenräumen des Rila-Klosters ist das Fotografieren verboten. Auch in der Kirche und im Museum. Deshalb ist die Auswahl an Fotos hier eher bescheiden und teilweise aus einem offiziellen Bildband abfotografiert. Ein Foto vom Grabmal des Zaren Boris allerdings war auch darin nicht zu finden.

 

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Hier geht's weiter an die Strände von Warna und zur Reportage Bulgarien 4.