Bulgarien 4
DIE LUST AUF MEER
- Badespaß am Goldstrand bei Warna
Wenn es um Kulturschätze geht, braucht sich die Hafenstadt Warna am Schwarzen Meer hinter der Hauptstadt Sofia nicht zu verstecken. Ihre Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale beispielsweise war die größte des Landes bis zum Bau der Alexander-Newski-Kathedrale. Die bei Ausgrabungen in Warna entdeckte Therme des altrömischen Odessos ist besser erhalten als die Überreste des antiken Serdica in Sofia. Und wenn die Hauptstadt mit einem rund viertausend Jahre alten Goldschatz der Thraker punkten kann, so setzt Warna mit einem fast doppelt so alten Goldschatz eines unbekannten prähistorischen Volkes noch einen oben drauf. Das allein wären gute Gründe, um der drittgrößten Stadt Bulgariens einen Besuch abzustatten. Doch die allermeisten der zahlreichen Touristen treibt die Lust auf Meer. Sie kommen wegen der weiten Sandstrände. Egal ob in Warna selbst oder in einer der benachbarten Hotelstädte wie Slatni Pjasazi – in Deutschland besser bekannt als "Goldstrand".
Reportage (Radio SWR4 RP, 18.09.2022):
[Atmo: Meeresrauschen]
Es ist ganz schön was los am Goldstrand. Liegestuhl reiht sich an Liegestuhl. Dazwischen bahnt sich Jordanka Kruschkowenska irgendwie einen Weg zwischen den braungebrannten Leibern. Obwohl sie in Warna lebt, geht sie so gut wie nie zum Strand. Das gelte für die meisten Einheimischen. Sie seien einfach immer mit irgendwas beschäftigt, sogar am Wochenende.
[O-Ton Jordanka Kruschkowenska:]
"Sie haben nie Zeit zum Baden, und wenn sie einmal zum Strand gehen, sind sie so weiß, dass die Möwen denken, dass sie ein Stückchen Käse sind."
Weiße Haut am Schwarzen Meer – das klingt nach einem schönen Kontrast. Aber das Meer ist gar nicht schwarz, sondern so wie alle anderen Meere auch.
[O-Ton Jordanka Kruschkowenska:]
"Nur beim Sturm sieht das Meer dunkel aus. Der erste Name des Meeres war eigentlich Akschaena. Das soll 'dunkelfarbiges Meer' bedeuten. Aber unser Meer ist für uns blau und bleibt für immer blau."
Na, wenigstens der Goldstrand sieht mit etwas Fantasie golden aus. Besonders bei Sonnenuntergang. Der bulgarische Name Slatni Pjasazi heißt wörtlich übersetzt "Goldene Sande". Doch möglicherweise hatte die Farbe diesmal mit der Namensgebung gar nichts zu tun.
[O-Ton Jordanka Kruschkowenska:]
"Eine Legende kann der Anfang sein. Die erzählt, dass damals Seeräuber goldene Schätze am Strand irgendwo begraben haben, irgendwo versteckt haben. Leider hat bis heute keiner solche Schätze gefunden, aber die Touristen, die graben immer noch in dem Sand, leider umsonst (lacht)."
Während die einen im Sand buddeln, geben sich manch andere in den Strandbars ordentlich die Kante. Der Goldstrand gilt ja sozusagen als Ballermann der Schwarzmeerküste. Allerdings eher als Ballermann für Arme. Denn hier ist alles eine Nummer kleiner als auf Mallorca. Deshalb macht diesem Urlauber der feucht-fröhliche Trubel gar nichts aus:
[O-Ton Tourist:]
"So schlimm ist es auch nicht. Dass hier so Dinger sind, wo die jungen Leute sich treffen und 'n bisschen Musik hören wollen, das ist natürlich legitim. Dann sollen die Älteren sich woanders hinbegeben, was weiß ich, ne. Also, ich bin begeistert, muss ich ehrlich sagen."
Denn auch alle, die es ein bisschen ruhiger mögen, finden am Goldstrand genug Cafés und Restaurants, wo man gemütlich ein Weinchen trinken oder einen Cocktail schlürfen kann, während die untergehende Sonne den gelben Sand in Gold verwandelt.
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DER ÄLTESTE GOLDSCHATZ DER WELT
- im Archäologischen Museum von Warna
Was das antike Volk der Thraker an kunstvoll gefertigtem Goldschmuck hinterlassen hat, habe ich in der Reportage Bulgarien 1 angesprochen. In der Bildergalerie dort ist noch mehr davon zu sehen. Die Stücke im Historischen Nationalmuseum von Sofia wurden bei Ausgrabungen im nordbulgarischen Rosental entdeckt. Sie stammen etwa aus der Zeit zwischen 1000 und 500 v. Chr.
Die goldenen Grabbeigaben im Archäologischen Museum von Warna sind wesentlich älter. Teilweise werden sie auf das 5. Jahrtausend v. Chr. datiert. Das war die ausgehende Jungsteinzeit bzw. die beginnende Kupfersteinzeit. Eine Epoche lange vor Beginn der Geschichtsschreibung. Deshalb ist über das Volk, das damals in der Gegend des heutigen Warna lebte, praktisch nichts bekannt. Nicht, woher es kam, wie es hieß und wohin es verschwunden ist. Das macht den Goldschatz von Warna so geheimnisvoll und spannend. Fest steht nur, er wurde 1972 bei Bauarbeiten in einem Industriegebiet von Warna entdeckt. Die Arbeiter hatten keine Ahnung, was ihnen der Zufall da in die Hände gespielt hatte. Einer, sagt man, habe ein paar der stark verschmutzten Fundstücke in einem Sack mit in sein Dorf genommen und der Mutter gezeigt. Die erzählte dem Popen von dem Fund, und der behielt es auch nicht für sich. So bekamen kurze Zeit später die Behörden Wind davon, der junge Bauarbeiter wurde samt seinem Sack voll Gold zurück nach Warna zitiert und direkt verhaftet.
Gezielte Grabungen in den folgenden beiden Jahrzehnten förderten dann immer mehr Schmuckstücke aus Gold zu Tage. Darunter Ringe, Ketten und Armreifen. Mehr als 3.000 Einzelteile, in fast 300 prähistorischen Gräbern. Allein im Grab Nr. 43 fanden die Archäologen neben dem Skelett eines Mannes (ganz offenbar ein bedeutender Fürst oder Priester) fast eintausend goldene Beigaben, sogar ein goldenes Zepter und einen goldenen Penisaufsatz (!). Die Schmuckstücke sind nicht so filigran gearbeitet wie das thrakische Gold aus dem Rosental, aber ebenso rein, d.h. ein Goldgewicht von 23 bis 23,5 Karat.
Schon in den Jahren 1974 bis '75 konnten japanische Wissenschaftler mittels Radiokohlenstoffdatierung nachweisen, dass es sich um den ältesten Goldschatz der Welt handelte. Die Erkenntnis warf auch ein ganz neues Licht auf die Menschen der Steinzeit, denn dass sie schon so hohe Fertigkeiten in der Metallverarbeitung hatten, was bis dahin nicht bekannt.
Wer also seinen Urlaub in Warna bzw. der näheren Umgebung verbringt, sollte auf jeden Fall einen Besuch im Archäologischen Museum einplanen. Der Haut tut ein Tag Pause vom Sonnenbaden ganz gut – oder vielleicht ist ja auch mal ein Regentag dabei ...
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"WIE EIN SCHATTEN AN EINEM HEISSEN SOMMERTAG"
- Tarator und andere kulinarische Spezialitäten
Bulgarische Restaurants gibt es in Deutschland nicht gerade an jeder Ecke. Womit das wohl zusammenhängt? An der Qualität der bulgarischen Küche kann es eigentlich nicht liegen. Denn die ist überraschend hoch, die Auswahl vielfältig. Wie schon in der Einleitung unter Bulgarien 1 - 4 erwähnt, hält sie viele deftige Fleischgerichte bereit, meistens vom Schwein oder vom Huhn, seltener vom Rind oder vom Schaf, und am besten vom Grill. Ebenfalls sehr beliebt sind Eintöpfe, wahlweise mit oder ohne Fleisch. Es darf aber durchaus auch mal ein würziger Salat sein wie der Schopska u.a. aus Gurken, Tomaten, Paprika und Oliven.
Ähnlichkeiten mit Speisen aus anderen Balkanländern wie Ex-Jugoslawien oder Griechenland sind unverkennbar, ebenso mit türkischen Gerichten. Das liegt vor allem daran, dass die gesamte Balkanhalbinsel mehr als 500 Jahre unter osmanischer Herrschaft stand, von der sich die einzelnen Nationen erst Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts befreien konnten. So isst man in Bulgarien zum Frühstück gerne Baniza, eine Spezialität aus Blätterteig, die mit weißem Käse gefüllt ist, eventuell zusätzlich mit Spinat. In anderen Balkanländern kennt man sie als Gibanica, in der Türkei als Börek.
Der weiße Käse aus Schafs- oder Kuhmilch, meist in Salzlake gereift, darf eigentlich bei keinem Gericht fehlen. Und noch ein anderes Milchprodukt, nämlich der Joghurt, spielt zwar in allen Varianten der Balkanküche eine wichtige Rolle, genießt aber in Bulgarien noch mal einen ganz besonderen Stellenwert. Das liegt an der weltweit einzigartigen Bakterienkultur "lactobacillus bulgaricus" (kein Witz!). Zwei Drittel der produzierten Milch im Land, heißt es, werden zu diesem speziellen Joghurt verarbeitet. Er ist zähflüssiger als der deutsche, erinnert von der Konsistenz her eher an griechischen Joghurt. Und er ist auch der Grundstoff für den Tarator, ein beliebtes Sommergericht, das im Geschmack an Tsatsiki erinnert.
Warna-Guide Jordanka Kruschkowenska überredet mich dazu bei einer kurzen Mittagsrast im Schnellrestaurant "Bulgarska Kuchnja" gegenüber der Nikolauskirche. Sie verrät, welche Zutaten man dafür benötigt, und vergleicht ihn in seiner erfrischenden Wirkung mit einem Schatten an einem heißen Sommertag:
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