Bulgarien 2

EIN GEBIRGSZUG FÜR EISENBAHN-ROMANTIKER
- mit der Schmalspurbahn durch die Rhodopen

Die bulgarischen Hochgebirge alpinen Charakters wurden eingangs schon erwähnt, aber es gibt auch dem Schwarzwald ähnliche Mittelgebirge wie die Rhodopen. Sie ziehen sich durch weite Teile des Südwestens von Bulgarien. Ihre höchsten Gipfel messen "nur" gut 2.000 m. Aber immerhin.
Es ist eine abgelegene Gegend, kaum Straßen führen durch den bewaldeten Gebirgszug. Dafür gibt es eine Eisenbahnlinie – genauer gesagt: eine Schmalspurbahn – die ihn durchquert. Von der Ortschaft Septemwri an der Hauptstrecke zwischen Sofia und Plowdiw bis nach Dobrinischte am Fuße des Pirin-Gebirges. Erbaut wurde sie zwischen 1924 und 1946, um einen Transportweg für die Holzindustrie zu schaffen. Für viele kleine Dörfer an der Strecke wurde sie zur einzigen Verbindung mit der Außenwelt. Längst aber haben auch Touristen die Rhodopenbahn entdeckt, denn sie führt durch eine dramatisch schöne Landschaft mit grünen Hochtälern, engen Schluchten, über unzählige Brücken und durch unzählige Tunnel. Für umgerechnet kaum vier Euro können sie unterwegs rund fünf Stunden Eisenbahn-Romantik pur erleben.

Reportage (Radio SWR4 RP, 18.09.2022):

[Atmo: Pfiff des Schaffners]

Ein schriller Pfiff, und die Schmalspurbahn setzt sich in Bewegung. Schon nach wenigen Minuten erreicht sie die spektakuläre Schlucht des Tschepinska-Flusses und windet sich langsam, ganz langsam, immer höher. Mit kaum 30 km/h. Unsere Reisebegleiterin Biljana Nikolowa bringt es auf den Punkt:

[O-Ton Biljana Nikolowa:]

"Als Kind hatte ich das Gefühl, dass man kann aussteigen, Blumen pflücken und wieder einsteigen."

Dichter Wald umgibt uns, kaum Anzeichen menschlicher Siedlungen, bis wir nach etwa anderthalb Stunden den Bahnhof von Welingrad erreichen. Mit gut 20.000 Einwohnern die größte Stadt auf der Strecke und Bulgariens Thermal-Kurort Nummer 1.

Tschepinska-Fluss
Menschen im Zug
Ankunft in Welingrad

[O-Ton Biljana Nikolowa:]
"Es gibt nur auf diesem Platz über 80 Quellen mit verschiedene Temperatur. Die geht von ungefähr 30 Grad bis 80, bis 90 Grad. Jede Quelle hat eigene Temperatur und heilt verschiedene Sachen."

Auf der Weiterfahrt erreichen wir in Awramowo den höchstgelegenen Haltepunkt: 1.267 Meter. Von nun an geht's bergab. Ganz allmählich. Irgendwann hält der Zug in Beliza. Der kleine Ort ist bekannt für seinen Tanzbären-Park. Hier finden Tiere Asyl, die oft unter Qualen dressiert wurden. Neuerdings auch Bären aus Zoos, Zirkussen und Privathaltung:

[O-Ton Biljana Nikolowa:]
"Jetzt schützen sie nicht nur tanzenden Bären, sondern alle gefolterten Bären von dem ganzen Balkanhalbinsel. Es gibt zurzeit ungefähr 19 dort, und die Idee ist, dass diese Bären in Ruhe ihre Leben danach verbringen, nach die Folter, die sie als tanzenden Bären überlebt haben."

Höchstgelegener Bahnhof der Balkanhalbinsel
Beliza - Heimat des Tanzbären-Asyls
Ankunft am Zielort Bansko

Von hier ist es nicht mehr weit nach Bansko, dem selbst gewählten Ziel unserer Zugreise. Die Rhodopen liegen hinter uns. Das mächtige Pirin-Gebirge ragt vor uns auf. Bansko hat nicht nur eine malerische Altstadt, sondern gilt als eines der wichtigsten Wintersportzentren Bulgariens. Und auch außerhalb der Skisaison ist immer was los:

[O-Ton Biljana Nikolowa:]
"Bansko ist der Ort, von wo man ins Pirin-Gebirge wandert, und Pirin-Gebirge ist eine der berühmtesten Plätze zum Wandern, im Sommer. Nicht nur für Bulgaren, für Ausländer. Es ist ein Teil von Europa-Wanderweg E 4, und Pirin-Gebirge ist wunderschönes Gebirge."

Aber auch die Rhodopen können sich sehen lassen. Fast fünf Stunden hat die Hinfahrt gedauert, genauso lange brauchen wir zurück. Trotzdem kommt keine Langeweile auf. Wozu ist man schließlich Eisenbahn-Romantiker?


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Hier geht's weiter zum berühmten Rila-Kloster und der Reportage Bulgarien 3.