Braunau am Inn 1

GESCHICHTE MIT BART UND PFERD
- ein historischer Stadtrundgang

Die Geburt von A. H. war nur eine Momentaufnahme in der langen Stadtgeschichte von Braunau am Inn. Seine Bürger haben im Laufe der Jahrhunderte ganz andere Ereignisse erlebt und überlebt. Manche erfreulich, manche betrüblich, manche auch kurios. So gehörten die Braunauer mal zu Bayern, mal zu Österreich, gelangten als tüchtige Kaufleute schon im ausgehenden Mittelalter zu Ansehen und Wohlstand. Dabei entwickelten sie eine rege Bautätigkeit, von der das Antlitz der Stadt noch heute profitiert. Bei einem geführten Rundgang wird die bunte, anekdotenreiche Geschichte Braunaus lebendig – und der böse Mann, dessen Wiege hier stand, tritt zunächst völlig in den Hintergrund. In den Hauptrollen stattdessen: ein eisernes Pferd und ein wallender Bart.

Reportage (Radio hr4, 30.06.2012):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Atmo: Kirchenglocke St. Stephan]

Weithin schallt die Glocke des Kirchturms von St. Stephan. Mit 87 Metern ist er einer der höchsten in Österreich und das Wahrzeichen von Braunau. In die Außenwände der spätgotischen Pfarrkirche sind Epitaphe eingelassen. Stadtführerin Susanne Urferer weist uns auf das Bildnis eines Mannes hin, dessen Bart bis über die Fußzehen reicht.

[O-Ton Susanne Urferer:]
"Der Hans Staininger hat im 16. Jahrhundert gelebt, und er hat seinen langen Bart, der war länger als er groß gewesen ist, den hat er normalerweise aufgerollt, in einem Samt- oder Lederbeutel um den Hals getragen. Nur eines schönen Tages war er sehr eilig, es war Brandalarm, er ist aus dem Haus gelaufen, über seinen zu langen Bart gestolpert und hat sich das Genick gebrochen, ist natürlich daran verstorben."

Tja, dumm gelaufen, aber wenigstens der Bart blieb der Nachwelt erhalten. Er ist im Braunauer Bezirksmuseum zu bewundern. Und Susanne Urferer kennt noch weitere hübsche Anekdoten. Zum Beispiel die um das eiserne Pferd auf einem Dach in der Linzer Straße. Es soll an eine Hungersnot im 18. Jahrhundert erinnern, sieht aber inzwischen ziemlich porös aus.

[O-Ton Susanne Urferer:]
"Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ja Österreich von den Siegermächten besetzt und aufgeteilt, und Braunau, die Region des Innviertels, war in der amerikanischen Zone. Die amerikanischen Soldaten, junge Männer, waren natürlich auch oft übermütig und haben auf das Ross geschossen – als Zielscheibe. Daher hat das heute diese Löcher."

St. Stephan mit 87 m hohem Kirchturm
Susanne Urferer mit "Bartmann"
Durchlöchertes Pferd

Wesentlich besser erhalten sind die Bürgerhäuser auf dem lang gezogenen Stadtplatz. Fassaden mit gotischen Spitzgiebeln, teilweise im Stil der Renaissance umgestaltet, aber alle in unterschiedlichen Pastelltönen verputzt. Einer der schönsten und größten Plätze in Oberösterreich – und darauf sind die Braunauer schon ein bisschen stolz:

[O-Ton Susanne Urferer:]
"Der Stadtplatz gefällt mir immer wieder, wenn man in Städte kommt, ist man dann fast enttäuscht, wenn man oft kleine Plätze findet oder oft gar keine, nur Durchzugsstraßen. Dann wird einem erst wieder bewusst, wie schön dieser Braunauer Stadtplatz wirklich ist und vor allem wie groß."

Weniger stolz sind sie auf das Geburtshaus von Adolf Hitler. Es ist nicht im Stadtplan verzeichnet, in keinem Prospekt abgebildet und gehört auch nicht zum festen Programm der Führungen von Susanne Urferer. Nur auf besonderen Wunsch bringt sie Gäste zu dem unauffälligen Gebäude in der Salzburger Vorstadt. Aber totgeschwiegen werde das leidige Thema nicht, versichert sie:

Rathaus am Stadtplatz
Hitlers Geburtshaus
Gedenkstein vor Hitlers Geburtshaus

[O-Ton Susanne Urferer:]
"Wir haben in Braunau Zeitgeschichte-Tage, die sich mit dem Thema sehr intensiv befassen. Vor dem Haus haben wir auch einen Gedenkstein, der zum 100. Geburtstag von Adolf Hitler hingestellt wurde und wo draufsteht, dass Millionen Tote mahnen, dass so etwas nie wieder vorkommen soll. Am Haus selbst hat man bewusst keine Tafel angebracht. Es ist auch in Privatbesitz, dieses Gebäude."

Dennoch, der Umgang mit dem ungeliebtesten Sohn der Stadt fällt offenbar immer noch schwer. Er ist und bleibt eben ein Image-Killer. Aber die Braunauer arbeiten daran, dass sich ihr Image verändert und die Gäste aus anderen Gründen kommen. Denn davon gibt es mehr als genug.

[Atmo Glockenspiel: "Guten Abend, gute Nacht"]

 

__________________________________________________

Hier geht's weiter zur historischen Landesausstellung und Braunau am Inn 2.