Argentinien 4

ENDE DER WELT
- Naturerlebnis in Feuerland

Wer die Gletscher und steilen Gipfel im südlichen Patagonien gesehen hat, glaubt, dass diese Eindrücke kaum noch zu überbieten sind. Und trotzdem dringen die meisten Argentinien-Reisenden noch weiter in den Süden vor. Bis ans "Ende der Welt" – fin del mundo: nach Feuerland! Denn von dort ist die Antarktis "nur" noch tausend Kilometer entfernt. Der überwiegende Teil der Insel jenseits der Magellan-Straße gehört zwar zu Chile, doch die südlichste Stadt der Welt, Ushuaia, liegt im argentinischen Teil von Feuerland. Einst ein abgelegenes Nest, hat der Tourismus ihr einen bescheidenen Wohlstand gebracht. Und das obwohl der Winter hier fast das ganze Jahr über dauert.

Reportage (Radio SDR1, 1994; hr3, 1994):

Auf dem Flugplatz von Ushuaia herrscht reger Betrieb. Außer der kleinen Maschine aus Calafate ist gerade ein Düsenjet aus Buenos Aires gelandet. Vom Rollfeld aus überblickt man den Hafen. Ein deutsches Kreuzfahrtschiff liegt dort vor Anker. So viele Touristen hier am "Ende der Welt"? Immerhin zeigt das Thermometer 13 Grad plus. So bitter kalt ist es gar nicht. Und dass der kurze Sommer nicht nur Feuerlands Natur zum Blühen bringt, sondern auch seine Wirtschaft, merkt man spätestens, wenn man über Ushuaias Einkaufsmeile schlendert. Was zieht all diese Menschen hierher?

[O-Töne Touristen:]
"Ich hab' mir einfach gedacht, gut, das is' mal so'n Gefühl, mal so weit in den Süden zu fahr'n mit der Nähe halt zur Antarktis, das muss 'ne tolle Gegend sein und muss eben ganz anders sein. Das hatt' ich mir so'n bisschen vorgestellt."
"Ich hab' früher viel von den Seefahrern gehört, auch von Magellan zum Beispiel und später dann von Charles Darwin, der seine naturkundlichen Reisen gemacht hat. Und das is' also wirklich so die Verwirklichung von einem Traum: dass ich ganz weit weg fahr'n kann, in 'ne Gegend, die noch sehr naturbelassen is', wo man wirklich noch Wildnis finden kann – und das is' halt eben das Ende der Welt."

Wie schaut es nun aus, das "Ende der Welt"? Eigentlich wie eine ganz normale argentinische Kleinstadt. Mit den typischen flachen Häuschen, im Schachbrettmuster angeordnet. Es gibt jede Menge Hotels, Restaurants und Geschäfte. Hinter der Stadt eine überwiegend kahle Bergkette mit schneebedeckten Gipfeln. Im Vordergrund der dunkelblaue Beagle-Kanal, eine Meerenge, die Feuerland von der vorgelagerten Isla Navarino trennt. Um die Abgeschiedenheit dieser Gegend richtig zu ermessen, muss man 'raus aus Ushuaia, hinein in die Natur – und auch hier am besten mit dem Boot.

[O-Ton Touristin:]
"Gerade wenn man so entlang dieses Beagle-Kanals fährt, da sieht man doch noch weite Areale, die praktisch unbesiedelt sind, wo wunderschöner Urwald is'. Und auch die Tierwelt hier ist faszinierend: mit Albatrossen und Pinguinen und Seelöwen. Also, es is' schon ungeheuer eindrucksvoll."

Die "Bremen" im Hafen von Ushuaia
Pinguine und Seelöwen im Beagle-Kanal
Biber im Nationalpark "Tierra del Fuego"

Zumal die Boote bis unmittelbar an die Klippen mit den Pinguinen oder Seelöwen heranfahren. Fast kann man sie streicheln, die Robbenbabys. Sie sind so nah wie im Zoo, leben aber dennoch sozusagen in freier Wildbahn. Ein Wunder, dass die Tiere nicht Reißaus nehmen, wenn sie täglich von fotografierwütigen Touristen heimgesucht werden. Doch sie wissen offenbar, dass sie hier unter Schutz stehen. Genau wie die Tiere im Nationalpark Tierra del Fuego, den man von Ushuaia aus per Bus erreichen kann. Sogar der sonst so scheue Biber zeigt sich dort von den menschlichen Besuchern unbeeindruckt

[O-Ton Tourist:]
"Plötzlich is' er an uns vorbeigepaddelt. So als wär'n wir ständige Besucher und wär'n gut Freund mit ihm. Das war schon toll, so hautnah mit 'nem Biber so auf zwei, drei Meter Entfernung, das zu erleben und zu sehen, was er so alles treibt. Das war schon toll."

Doch die Biber machen den Feuerländern auch große Sorgen. Von Menschen eingeführt, leben sie hier ohne natürliche Feinde. Sie vermehren sich ungehindert, bauen Dämme über Dämme, setzen das Land unter Wasser und die Wälder sterben ab. Ein anderes Problem, mit dem die Feuerländer leben müssen, ist das Ozonloch. Durch die starke UV-Strahlung sollen schon Schafe erblindet sein. Doch die Einheimischen wie die Deutschstämmige Verena Linker nehmen die Gefahr nicht allzu ernst.

[O-Ton Verena Linker:]
"Es ist bei uns nicht so warm, dass man sehr viel draußen sich sonnt. Das im Sommer gibt es nicht. Es sind sehr wenig Tage, wo es schön warm ist. Sonst läuft man normalerweise auch im Sommer mit 'nem Pulli oder 'ner Jacke. Und, äh, vielleicht wenn man mittags draußen is', dann zieht man einen Hut an. Aber sonst isses nicht so schlimm."

Dazu kommt, dass die meisten Touristen nur wenige Tage am "Ende der Welt" bleiben, bevor es sie wieder nach Norden zieht, in wärmere Gefilde. Oder noch weiter nach Süden, wo es richtig kalt ist. In Ushuaia nämlich starten die Touren zu den Pinguinen der Antarktis. Wahlweise mit dem großen Dampfer oder der kleinen Segelyacht. Immer mehr Menschen wollen auch noch das letzte Refugium der Natur erobern. Dabei sind die Fahrten zu den Südpolargebieten extrem teuer – und Pinguine gibt's in Feuerland schließlich auch!

 

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