Venezuela 2


GRÜNE HÖLLE
- leben und überleben im Urwald

Die Urwaldregionen Südamerikas werden von uns "gringos" oft als Grüne Hölle bezeichnet. Ein schier undurchdringliches Dickicht von Schlingpflanzen, in dem wilde Tiere lauern und wilde Eingeborene mit Giftpfeilen um sich schießen – so stellen sich viele den Dschungel vor. Und tatsächlich leben ganz im Süden Venezuelas, am Oberlauf des Orinoco, Indianerstämme, die bisher keine oder kaum Kontakte mit der so genannten Zivilisation hatten. Sie jagen noch auf die traditionelle Art mit Blasrohren und Curare. Und tatsächlich gibt es Jaguare, Giftschlangen und Skorpione, mit denen nicht zu spaßen ist. Aber wer ein bisschen aufpasst, die Gesetze des Dschungels respektiert, für den kann die Grüne Hölle auch zum Garten Eden werden.

Reportage (2005 produziert für Radio hr1, nicht gesendet):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Musik: Indianer-Chor]

Die meisten Indianer haben den Lendenschurz längst abgelegt. Sie wohnen in festen Hütten aus Wellblech und jagen mit dem Gewehr. Die vermeintlichen Wilden haben Missionsschulen besucht und sprechen besser Englisch als der Großteil ihrer Landsleute in Caracas. Und dennoch würden sie niemals in die Großstadt ziehen.

[O-Ton José, spanisch:]
"Für mich hat der Urwald nichts Bedrohliches, erzählt José, ein Indio vom Stamme der Kamarakota. Er ist mehr wie ein Supermarkt. Da findet man alles, was man zum Leben braucht. Man holt sich was zu essen, man geht auf die Jagd. Da holt man sich Baumaterial und die Heilpflanzen für unsere Medizin. Für mich ist es das Natürliche, das Normale."

José ist im Dschungel geboren und aufgewachsen. Er kennt die Gefahren und weiß damit umzugehen. Aber für uns ist schon der nächtliche Gang zum Toilettenhäuschen ein mittleres Abenteuer.

Indio-Kinder im Urwald
Harmloses Faultier
Nicht ganz so harmlose Vogelspinne

[O-Töne Touristen:]
"Man hat doch ein bisschen Respekt im Dunkeln und erwartet eben auch, dass man von Schlangen gebissen wird oder dass einem da was über den Weg läuft, und man guckt schon, wenn man die Toilettentür aufmacht in jeder Ecke, ob da nicht irgendwo was sitzt. Aber, Gott sei Dank, nichts!"
"Im ersten Moment erwartet man sicherlich, dass viele Tiere auf einen herabfallen, an einem nagen, knabbern oder Ähnliches. Aber eigentlich ist gar nichts passiert, und man kann wirklich gut im Urwald überleben."

Die meisten Tiere, sagt Oliver Schmitz, unser Reiseleiter, haben vor uns mehr Angst als wir vor ihnen. Selbst vor Raubkatzen müsse man sich nicht allzu sehr fürchten.

[O-Ton Oliver Schmitz:]
"Natürlich gibt's 'n Jaguar, aber 'n Jaguar wird im Normalfall keinen Menschen anfallen. Wenn er nicht krank ist oder verletzt, wird er sich lieber was Einfacheres suchen als 'n Menschen – und einen, der besser riecht! Ich kenn' keinen einzigen Fall, wo ein Jaguar Menschen angegriffen hat."

Realer ist die Gefahr, die von den kleinen, scheinbar harmlosen Tieren ausgeht. Da gibt es Ameisen, deren Biss höllische Schmerzen und Fieberanfälle auslöst. Da gibt es Würmer, die sich in die Fußsohlen bohren und dort ihre Eier ablegen. Und es gibt Moskitos, die Malaria und andere Krankheiten übertragen. Die lästigsten Plagegeister aber sind die "puri puris" – winzige Sandfliegen, deren Durst nach Blut kaum zu stillen ist.

Hängematten-Camp im Dschungel
Schon beim Frühstück kommen Moskitos
Puri-puri-Pusteln

[O-Ton Touristin:]
"Die kommen pünktlich zum Frühstück. Wenn wir unser Frühstück einnehmen, nehmen die auch ihr Frühstück ein und kommen in der Abenddämmerung zu Hunderten. Also, sehr unangenehm, jucken wahnsinnig. Also, die bringen einen echt zur Verzweiflung."

Und kratzen ist streng verboten, sonst bilden sich dicke, eitrige Pusteln auf der Haut. Aber gegen die "puri puris" scheint kein Kraut gewachsen. Einreiben zur Vorbeugung bringt so gut wie nichts.

[O-Ton Tourist:]
"Ansonsten hilft eigentlich nur lange Sachen, lange Hosen, Hosen in die Socken stopfen, eventuell noch lange Hemden anziehen trotz der Riesenhitze und Schwüle und es einfach ausschwitzen."

Schon Alexander von Humboldt hat unter ihnen gelitten. Trotzdem setzte er seine Entdeckungsreisen durch die Grüne Hölle unbeirrt fort. Und am Ende kam er heil wieder heraus. Wenigstens das haben wir mit dem großen Forscher gemeinsam.

 

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Hier geht's weiter zum Piranha-Angeln und der Reportage Venezuela 3.