Thurgau 1
APFEL-GESCHICHTEN
- wo der Barthel den Most holt
Bedeutsamer noch als Trauben sind Äpfel für den Thurgau. Ob traditionelle Streuobstwiesen oder moderne Plantagen – Apfelbäume dominieren das Landschaftsbild im Schweizer Bodensee-Kanton. Und ihre roten, grünen oder gold-gelben Früchte sind vielseitig verwendbar. Die meisten werden als Tafelobst vermarktet oder zu Most verarbeitet. Doch darüber hinaus kennt der Einfallsreichtum der Thurgauer keine Grenzen, wenn es um ihr liebstes landwirtschaftliches Kulturgut geht.
Reportage (Radio hr4, 06.10.2012):
[Geräusch: Armbrust-Schießen]
Der Pfeil saust durch die Luft – und patsch! – ist der Apfel mitten entzwei. "Walterle-Schießen" nennt Apfelbäuerin Rita Barth den beliebten Freizeitsport auf ihrem Ferienhof bei Altnau.
"Das Walterle-Schießen, das ist eine Puppe, die den Sohn von Wilhelm Tell darstellt, und der Wilhelm Tell hat seinem Sohn ja einen Apfel auf den Kopf gelegt und mit einer Armbrust auf den Apfel geschossen. Dann können die Gäste mit der Armbrust und dem Pfeil diesen Apfel probieren zu treffen."
Sehr beliebt auf dem Apfelhof sind auch die Baumpatenschaften. Sie kosten 100 Franken pro Jahr. Und schon mehr als 100 Bäume tragen die Plakette mit dem Namen eines stolzen Paten.
[O-Ton Rita Barth:]
"Dann kann man nachher im Herbst die Äpfel ernten, und man kann das ganze Jahr kommen und seinen Baum besuchen – sei es während der Blüte oder während dem Wachstum. Und das Plätzchen Erde, wo der Baum steht, gehört für dieses Jahr, wo der Baum bezahlt ist, diesen Baumpaten."
Eine weitere Apfel-Erfolgsstory hat Esther Schäfer-Meier aus Mammern geschrieben. Trauben und Äpfel (schwyzerdütsch: Truube und Öpfel) werden bei ihr zu "Tröpfel" – einem alkoholfreien Schaumwein. Den Korken zum Knallen brachte eine Freundin:
[O-Ton Esther Schäfer-Meier:]
"In 2005 kam sie auf mich zu und sagte, hör' mal, ich hab' da was vor. Ich such' schon länger was auf dem alkoholfreien Sektor, was Spannendes, apéritifmäßig. Ich hab' da eine Idee: Ihr habt ja genügend Trauben, und sie haben viele Hochstammbäume. Und so kam es, dass wir ganz spontan sagten einfach, ja, wir machen das."
Inzwischen produzieren die beiden Frauen drei verschiedene "Tröpfel" aus Müller-Thurgau-Trauben und 20 (!) Apfelsorten. Schon mehrere Preise haben sie gewonnen und können die Nachfrage kaum stillen.
[Atmo: klingende Sektgläser]
Auch wer statt Schaumwein lieber einen herzhaften Apfelwein trinken möchte, ist im Thurgau goldrichtig. Am besten genießt man ihn in einer urigen "Beiz". Doch aufgepasst! Bei den Begrifflichkeiten gehen die Uhren in der Schweiz ein wenig anders.
"Wenn ich reinkomme, bestell' ich einen Saft. Bei euch bekomme ich wahrscheinlich 'n Orangensaft oder so. Bei uns ist das 'n Apfelwein. Also, wir sagen zu dem Apfelwein 'n Saft!"
Markus Möhl ist Mitinhaber einer Großkelterei in Arbon. Unser Apfelsaft, erklärt er, heißt im Thurgau Apfelmost. Und es gibt noch mehr Unterschiede:
[O-Ton Markus Möhl:]
"Wir haben heute drei Viertel Apfelwein ohne Alkohol. Das ist eine Spezialität von unserem Betrieb. Wir machen noch traditionellen Apfelwein und enziehen ihm nachher auf der Anlage mit Vakuum und Wärme den Alkohol, und ich glaube kaum, dass jemand, der ab und zu 'n Apfelwein trinkt, den Unterschied kennt zwischen mit und ohne Alkohol."
Ob mit oder ohne – Apfelwein ist in der Schweiz wieder total "in". Der Absatz steigt. Nicht nur bei der Mosterei Möhl. Den Thurgauer Apfelbauern wie Rita Barth kann das nur Recht sein!
[Atmo: Apfelwein wird in Glas gefüllt]
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