Teutoburger Wald 1
ÜBERRAGEND: EIN GERMANISCHER HELD
- das Hermannsdenkmal bei Detmold
53 Meter hoch ist es vom Sockel bis zur Schwertspitze und damit weithin sichtbar. Das Hermannsdenkmal ragt von der Grotenburg, einer Bergkuppe im Lipper Land, über den Teutoburger Wald hinaus. Es entstand im 19. Jahrhundert, in einer Epoche wachsenden deutschen Nationalbewusstseins. Bei seiner Fertigstellung 1875 war es das größte Denkmal der westlichen Welt. Allein die Statue des germanischen Helden misst gut 26 Meter und ist heute immer noch die größte in ganz Deutschland. Sie besteht aus Kupferplatten, die von abertausend Nieten und Schrauben zusammengehalten werden. Die Statue stellt Hermann den Cherusker dar (auch Arminius genannt), der vor gut zweitausend Jahren die Römer besiegte und für immer aus dem nördlichen Germanien vertrieb. Ausgrabungen legen zwar nahe, dass das historische Schlachtfeld in Wahrheit gar nicht im Teutoburger Wald lag, sondern bei Kalkriese nördlich von Osnabrück. Trotzdem pilgern alljährlich mehr als eine halbe Million Besucher zum Hermannsdenkmal bei Detmold, um sich an dieses bedeutende Ereignis der Weltgeschichte zu erinnern.
Reportagen (Radio SWR4 RP, 02.06.2019):
[Geräusch: Schlachtengetümmel]
Man glaubt förmlich das Schlachtengetümmel zu hören, wenn man sieht, wie der Hermann sein sieben Meter langes Schwert triumphierend gen Himmel reckt. Nach Westen schaut er, zum Erbfeind Frankreich. So wird es oft interpretiert. Aber Gästeführer Carl-Heinz Helwig sagt, der Erbauer des Denkmals, Ernst von Bandel, hatte ganz anderes im Sinn:
"Ich zeige diesen Mann unmittelbar nach der Schlacht, siegreich das Schwert erhoben, entspannt gestützt auf das Schild und schaue Richtung Westen, hinter den Römern her, die zum Rhein flüchten, und schaue über die Orte der Schlachten und über die Gräber der Legionäre. Das ist seine Version damals gewesen und hat mit Frankreich überhaupt nichts zu tun gehabt."
Für Bandel war das Hermannsdenkmal eine Art Lebenswerk. 37 Jahre lang arbeitete er daran. Unermüdlich. Im Kuppelraum, unmittelbar zu Füßen der Statue, gibt Carl-Heinz Helwig einen Einblick in das Innenleben des Denkmals, aber auch in die Wesensart seines Schöpfers:
[O-Ton Carl-Heinz Helwig:]
"Hier in diesem Raum befand sich eine Feldschmiede. Mann muss ja die Nieten so glühend wie möglich ins Material einbringen. Bandel ist jeden Abend hier hochgekommen, hat kontrolliert, ob die Nieten fachgerecht eingebaut worden sind, und wenn's nicht so war, wurde der Niet wieder rausgenommen und entfernt und neu besetzt. So war er."
Vom Kuppelraum führen Leitern bis ganz nach oben in den Kopf der Statue. Aber Besucher dürfen nicht hinauf. Das wäre zu gefährlich. Dafür können sie draußen von der Galerie einen weiten Rundblick über den Teutoburger Wald genießen und über die umliegenden Städte. Nur eine bleibt hinter einem Hügel verborgen:
[O-Ton Carl-Heinz Helwig:]
"Sie kennen alle den Spruch, Bielefeld gibt's nicht. Hier am Hermannsdenkmal, wir treten den Beweis an, denn die Blickrichtung wird hier auch angezeigt, und wenn man dort hinschaut, dann stellt man fest, da ist nichts. Der Beweis, Bielefeld gibt's nicht."
[Geräusch: Schlachtengetümmel]
Zu Zeiten der Hermannsschlacht gab's Bielefeld tatsächlich noch nicht. Aber dass die Schlacht wirklich im Teutoburger Wald tobte und nicht irgendwo weit weg, daran möchte Gästeführer Helwig gerne glauben. Auch wenn hier niemals Beweisstücke wie Waffen oder Münzen gefunden wurden:
"Das hängt damit zusammen, dass wir Lipper ein ganz besonderes Völkchen sind. Wir sagen, lass' mal nicht liegen, nimm's mit, kannste vielleicht gebrauchen."
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HERMANN ODER ARMINIUS
- das unbekannte Wesen
Wer war eigentlich dieser Hermann oder Arminius? Wie hieß er wirklich? Und hat es ihn überhaupt gegeben? Alle diese Fragen sind nicht mit hundertprozentiger Gewissheit zu beantworten. Denn eine der wichtigsten historischen Quellen, der römische Geschichtsschreiber Tacitus, wurde erst Jahrzehnte nach Hermanns/Arminius' Tod geboren, war also kein Zeitzeuge, geschweige denn ein Augenzeuge.
Einigermaßen sicher scheint zumindest, dass es den germanischen Helden wirklich gegeben hat. Angeblich wurde er um das Jahr 17 vor Christus geboren und starb um das Jahr 21 nach Christus. Sein Vater Sigimer war ein Fürst des Stammes der Cherusker und galt als Freund der Römer. Schon im Kindesalter wurden seine beiden Söhne zur militärischen Ausbildung nach Rom geschickt. Ob freiwillig oder als Geiseln, bleibt unklar. Die Römer jedenfalls nannten die beiden Germanenbuben Arminius und Flavus. Sie erwiesen sich offenbar als sehr gelehrig, lernten die lateinische Sprache und dienten sich in der römischen Armee nach oben. Arminius wurde Anführer einer Truppe von Reitersoldaten, deren Aufgabe es war, die Legionen an ihren Flanken zu schützen. In dieser Rolle erwarb er rasch hohes Ansehen. Um das Jahr 7 oder 8 n. Chr. wurde er zurück nach Germanien geschickt und gewann dort das Vertrauen des römischen Statthalters Publius Quinctilius Varus. Die Römer hielten damals schon das linke Rheinufer und Teile des heutigen Süddeutschlands besetzt. Als Arminius mitbekam, dass Varus mit seinen Legionen vom Niederrhein aus immer weiter ins nördliche Germanien, bis an die Weser, vordringen wollte, sah er die Zeit für einen Aufstand gekommen.
Was folgte, war die vielzitierte Schlacht im Teutoburger Wald, die auch Hermannsschlacht oder Varusschlacht genannt wird und über deren genauen Ablauf es ebenfalls nur Mutmaßungen gibt. Gesichert ist wohl nur, dass die Germanen unter Arminius den Römern eine vernichtende Niederlage zufügten. So vernichtend, dass die Römer nie wieder ernsthafte Vorstöße unternahmen, auch das nördliche Germanien ihrem Imperium einzuverleiben.
Wie es dann mit Arminius weiterging, bleibt ebenfalls weitgehend unklar. Angeblich wurde er im Jahre 21 von seinen eigenen Verwandten ermordet, weil er ihnen zu mächtig geworden war und sie befürchteten, er wolle selbst ein germanisches Reich gründen und dessen König werden.
Danach geriet er allmählich in Vergessenheit. Erst der Reformator Martin Luther, der sich ja selbst als Kämpfer gegen das Papsttum sah und damit gegen Rom, hat die Heldengestalt wieder ausgegraben und den Namen eingedeutscht. Weil man Arminius nicht übersetzen konnte, nannte Luther ihn den "Heeresmann", und daraus wurde dann "Hermann". Durchgesetzt hat sich diese Bezeichnung aber erst im 19. Jahrhundert. Selbst Ernst von Bandel, der Erbauer des Denkmals, hielt lange an dem Namen Arminius bzw. Armin fest, sprach von seinem Projekt als "Arminssäule". Erst bei der Fertigstellung schwenkte er um und nannte es "Hermannsdenkmal".
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