Tansania 4


DIE RELIKTE DER KOLONIALZEIT
- Spurensuche in Bagamoyo

Was weder den meisten Einheimischen noch den meisten Urlaubern bewusst ist: Das heutige Tansania bildete mal den Kern der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Und zwar von 1885 bis 1918. Mit dem Ende des 1. Weltkriegs endete auch die so genannte Schutzherrschaft der Deutschen. Die Kolonie ging in britische Hände über und blieb britisch, bis das Land 1961 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Nur wenig erinnert heute noch an den alten Kaiser Wilhelm und seine Zeit, die leider geprägt war von Rassismus und Grausamkeiten gegen die eingeborene Bevölkerung. Aber zumindest in der ehemaligen Hauptstadt Bagamoyo sind die Relikte der kolonialen Vergangenheit unübersehbar. Deshalb machen besonders deutsche Touristen gerne einen Abstecher in die kleine Hafenstadt am Indischen Ozean.

Reportage (produziert für Radio hr3, nicht gesendet):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Atmo: jugendliche Straßenmusikanten]

Straßenmuskanten am Fischerhafen von Bagamoyo. Eine Handvoll Jugendliche vertreibt sich so die Zeit, denn sonst ist nicht viel los in der ehemaligen Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika. Ein paar Dhaus dümpeln im seichten Wasser, ein paar Frauen sortieren Meeresfrüchte am Strand. Und das alles im Schatten zweier imposanter Bauwerke, dem einstigen Zollhaus und dem einstigen Gouverneurspalast, der so genannten "Boma", wie unser Reiseleiter erklärt.

(O-Ton Dr. Albrecht Gorthner:)
"Die Boma war ein Verwaltungssitz der Deutschen, ein befestigter Verwaltungssitz, war aber hier nur kurze Zeit in Funktion, weil Bagamoyo nur kurze Zeit Hauptstadt war. Wichtig ist der Seeweg, und da die größer werdenden Schiffe hier nicht anlanden konnten, musste man den größeren Hafen von Daressalam dem schöneren Bagamoyo vorziehen."

Deshalb hat der Gouverneur niemals in dem Palast residiert. Wenn man überhaupt von Palast reden kann – denn die Boma steht seit Jahren leer und ist seitdem zusehends verfallen. Das Gleiche muss man von dem ehemaligen Zollhaus sagen. Angesichts dieser grauen Ruinen wollen sich nostalgische Gefühle nicht so recht einstellen.

Boma
Deutscher Soldatenfriedhof
Münzen aus der Kaiserzeit

[O-Töne Touristen:]
"Ich nehm' das überhaupt nicht wahr, dass das hier mal 'ne Kolonialmacht war. Das ist einfach 'n verfallenes, kaputtes Gemäuer, das könnte irgendwas sein."
"Das ist verfallen, aber das ist auch in Ordnung, dass es verfallen ist, weil die Deutschen sind hier als Kolonialherren gewesen und nicht als freundliche Menschen."

Überraschend gut gepflegt wirkt dagegen der kleine Friedhof der deutschen Schutztruppe. Eingraviert in deutscher Sprache, kann man auf den Grabsteinen die traurigen Schicksale der Soldaten ablesen:

[Grabinschrift:]
"Hier ruht in Gott der Unterlieutenant zur See Max Schelle von Seiner Majestät Kreuzer 'Schwalbe'. 24 Jahre alt, fiel er am 19. Mai 1889 beim Sturm auf die befestigte Siedlung Bagamoyo, allen voran der erste im feindlichen Lager."

Aber diese kriegerischen Zeiten sind, Gott sei Dank, lange vorbei. Am Hafen strecken uns zwei junge Männer eine Handvoll Münzen entgegen. Es sind alte deutsche Münzen aus der Kaiserzeit – "5 Heller" ist darauf zu lesen und "1916 DOA" für Deutsch-Ostafrika. Offenbar bei vielen Touristen begehrte Sammlerobjekte. Sie haben sie von ihren Großeltern bekommen, erzählen die Männer. Von Ressentiments ist nichts zu spüren. Die Tansanier begegnen uns freundlich, manchmal sogar herzlich. Und das nicht nur in Bagamoyo.

Ehem. Zollhaus
Frauen sortieren Meeresfrüchte
Shule kommt von Schule

[O-Ton Dr. Albrecht Gorthner:]
"Afrikaner sind sowieso fremdenfreundlich, und dass die Deutschen hier mal Kolonialmacht waren, ist eigentlich so gut wie in Vergessenheit geraten. Es gibt nur noch einzelne Schilder oder das Kisuaheli-Wort 'shule' zum Beispiel. Und so sind wir ganz normale Touristen, insofern alles paletti."

Die Deutschen haben eben auch die ersten Schulen im Land gegründet und die ersten Eisenbahnen gebaut. Diese positiven Erinnerungen sind wesentlich präsenter als die negativen. Und so geben die Straßenmusikanten am Hafen sogar eine Extravorstellung, als wir uns als Deutsche zu erkennen geben.

[Atmo Straßenmusikant:]
"We can play nice song for you."
"Where are you from?"
- Germany.
"Wonderful." (lacht)

 

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