Rumänien 5


DAS MONUMENT DES GRÖSSENWAHNS
- Rundgang im Parlamentspalast von Bukarest

Die rumänische Hauptstadt schmückt sich gerne mit dem wohlklingenden Beinamen "Paris des Balkans". Tatsächlich gibt es in Bukarest einen Triumphbogen, einen nach Charles de Gaulle benannten Platz (wenn auch an unterschiedlichen Orten) und viele breite Boulevards, die schon ein wenig an die Weltmetropole Paris erinnern – allen voran der Boulevard Unirii, der an Länge sogar die Avenue des Champs-Elysées übertrifft. Rumäniens kommunistischer Diktator Nicolae Ceauşescu liebte es protzig. Und so ließ er am westlichen Ende des Boulevards einen neoklassizistischen Palast errichten, der als zweitgrößtes Verwaltungsgebäude der Welt gilt und nur vom Pentagon in Washington übertroffen wird. Seine Maße: 275 m lang, 235 m breit, eine Grundfläche von 65.000 qm (das sind etwa 9 Fußballfelder). Ceauşescu selbst ist längst Geschichte, aber das Monument seines Größenwahns hat ihn überdauert. Heute beherbergt es beide Kammern des Parlaments, Museen und Konferenzsäle. Zumindest Teile des Palasts können bei einem Rundgang besichtigt werden.

Reportage (Radio hr4, 27.09.2014; rbb-INFOradio, 01.11.2014; SWR4 RP, 25.07.2021:)

Am Eingang gibt es Gepäckkontrollen wie am Flughafen. Es könnte ja sein, dass jemand den Protzpalast in die Luft sprengen will. Nicht auszudenken! Dabei gab es 1989, nach der rumänischen Revolution, Überlegungen, genau das zu tun. Ganz offiziell. Dann aber besann man sich doch eines besseren. Schließlich hatte der Bau schon Milliarden verschlungen und war noch nicht mal ganz beendet, erzählt Palastführerin Elena Corina.

[zum Anhören klicken: O-Ton Elena Corina]

"You've probably heard that this building ...
Sie haben sicher schon gehört, dass dieses Gebäude auf Verlangen von Nicolae Ceauşescu gebaut wurde. Er kam nicht mehr dazu es zu benutzen oder im vollendeten Zustand zu sehen. Die Bauarbeiten begannen 1984, und es wurde zehn Jahre später fertiggestellt. Um in so kurzer Zeit fertig zu werden, brauchten sie ein Team von 20.000 Arbeitern, die in drei Schichten 24 Stunden am Tag beschäftigt waren. Und sie hatten ein Team von 700 Architekten unter der Leitung von Anca Petrescu. Sie war erst 28 Jahre alt, als sie mit dem Projekt begann.
... when she started this project."

Theatersaal
Kristalllüster im Theatersaal
Prunksaal

Und die junge Architektin folgte dem Prinzip: nicht kleckern, sondern klotzen. Geld spielte offenbar keine Rolle. Leuchtendes Beispiel dafür die 270 Kronleuchter. Der größte hängt im hauseigenen Theatersaal.

[O-Ton Elena Corina:]
"It weighs about five tons ...
Er wiegt ungefähr fünf Tonnen. Er besteht aus natürlichem Kristall aus der rumänischen Stadt Mediaş – wie überhaupt 99 % aller Materialien in diesem Palast aus dem Land selbst stammen. Das war die Bedingung: nur rumänische Materialien und nur rumänische Arbeiter.
... Romanian materials and Romanian workers."

Ceauşescus Vorbild für sein Bauprojekt war der Präsidentenpalast in Nordkorea. Aber es sollte noch größer und schöner werden. Drum machte er es zur Chefsache und achtete peinlich genau darauf, dass alles seinen Vorstellungen gemäß ausgeführt wurde

[O-Ton Elena Corina:]
"It is said that this pair of staircases ...
Man sagt, dass diese beiden Treppen sieben Mal neu gebaut wurden, weil sie Ceauşescu nicht gefielen. Ich weiß nicht sicher, ob das stimmt, aber ich kann es mir vorstellen, weil Ceauşescu die Bauarbeiten überwachte, und wenn ihm etwas nicht gefiel, wies er die Architekten an, es wieder abzureißen.
... to erase everything that they've done." 

Treppenhaus wurde 7mal umgebaut
Gegensatz zum Lebensstandard
Palastführerin Elena Corina

In der Heimat von Graf Dracula empfanden viele Rumänen ihren Diktator als den wahren Blutsauger. Das sündhaft teure Monument seines Größenwahns stand jedenfalls im krassen Gegensatz zum Lebensstandard seiner Untertanen.

[O-Ton Elena Corina:]
"People were kind of starving ...
Die Menschen mussten hungern – oder nicht wirklich hungern, aber es herrschte große Armut im Land. Deshalb waren sie wohl nicht sehr glücklich damit, was hier passierte. Dabei waren sie schon informiert, weil natürlich viele Menschen hier arbeiteten, da kann man schon annehmen, dass sie es wussten.
... you can assume that they knew about it."

Doch damals wagte keiner dagegen aufzubegehren. Und heute sind die meisten Bukarester sogar ein bisschen stolz auf ihren Parlamentspalast. Immerhin hat er es ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Am Ende unseres Rundgangs können wir das sogar irgendwie verstehen. Elena Corina hat ihren Anteil dazu beigetragen:

[O-Ton Elena Corina:]
"If you feel a little bit tired ...
Wenn Sie ein bisschen müde sind, sollten Sie bedenken, dass Sie anderthalb km gelaufen sind. Dabei haben Sie nur 5 % des Gebäudes gesehen. Da können Sie sich vorstellen, wie groß es ist. Danke für Ihre Aufmerksamkeit., Ich hoffe, die Tour hat Ihnen Spaß gemacht, und vielleicht kommen Sie ja wieder.
... enjoyed the tour and maybe you'll come back again."

 

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