Nordirland 2

DIE ZEUGNISSE DES KONFLIKTS
- Taxi-Tour auf den Spuren der "Troubles"

Verglichen mit den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, geht es in Belfast heute ruhig und friedlich zu. Auf den ersten Blick ist die nordirische Hauptstadt eine Stadt wie jede andere in Europa. Aber dann fallen immer wieder teils martialische Malereien an Mauern und Häuserwänden ins Auge. Sie stammen aus der Zeit der so genannten "Troubles" und waren Ausdruck stummen Protests. Die Bilder zeigen Szenen aus dem Bürgerkrieg, Konterfeis der jeweiligen "Helden" und "Märtyrer" – oder auch eindeutige Friedensappelle. Viele Wandgemälde sind weit mehr als Graffiti, sie sind fast schon als Kunst zu bezeichnen. Um diese Zeugnisse des Konflikts zu sehen, bietet sich eine "Black Cab Tour" an. Mit einem der typisch britischen buckligen Taxis geht es auch in die abseits des Stadtzentrums gelegenen Wohnviertel, wo Protestanten und Katholiken noch heute meist streng getrennt voneinander leben. Und die Taxis selbst spielten schon während der "Troubles" eine wichtige Rolle.

Reportage (Radio hr4, 15.06.2013; rbb-INFOradio, 29.06.2013):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Taxifahrer Billy Scott ist ein stämmiger Ire, den anscheinend nichts aus der Ruhe bringen kann. Gelassen steuert er sein Taxi durch den Feierabendverkehr in Richtung West Belfast, einst eine Hochburg des Terrors. Dort waren solche "Black Cabs" zeitweise das einzige öffentliche Verkehrsmittel.

[O-Ton Billy Scott:]
"At the start of the troubles here …
Zu Beginn der Unruhen Ende der 60er Jahre haben sie die Omnibusse in Brand gesteckt und als Barrikaden benutzt. Deshalb wurde ein neues Transportsystem ins Leben gerufen, der Taxi-Bus-Service. Diese Taxen durften auf der Busspur fahren. Das System wurde von der republikanischen Partei, der Sinn Féin, mitgetragen. Die Fahrer mussten einen Teil ihrer Einnahmen an die Partei abführen. Dieses Taxi hier, das ich fahre, ist ein normales Taxi. Wir bedienen beide Seiten, Katholiken und Protestanten – und seit dem Ende der 'Troubles' auch zunehmend Touristen, die mehr erfahren wollen über die Mechanismen des Konflikts, über seinen Ursprung und vor allem über die Lösung.
… as the resolution of conflict."

Die Spuren des Konflikts an den Häuserwänden jedenfalls sind nicht zu übersehen. Wir fahren am Bildnis von Bobby Sands vorbei, einem katholischen IRA-Kämpfer, der im Gefängnis in den Hungerstreik trat und an den Folgen starb. Wir sehen auch Wilhelm III. von Oranien, einen protestantischen englischen König, der Ende des 17. Jahrhunderts seinen katholischen Widersacher Jakob II. aus Irland verjagte. Wandgemälde mit viel Konfliktstoff also. Es geht aber auch anders:

Taxifahrer Billy Scott
Katholische Wandmalerei
Protestantische Wandmalerei

[O-Ton Billy Scott:]
"This painting here was done …
Dieses Bild hier wurde von Protestanten und Katholiken gemeinsam gemalt. In der Mitte sehen wir den Schriftsteller Frederick Douglass, dann Barack Obama, die Filmheldin Rosie the Riveter, Martin Luther King, Nelson Mandela, Bob Marley ist ebenfalls dabei.
… Bob Marley is well there as he is."

Leider wurde der Konflikt nicht nur mit Farbe und Pinsel ausgetragen, sondern auch mit Waffengewalt. Um Heckenschützen zu stoppen, wurde zwischen zwei verfeindeten Wohnvierteln eine acht Meter hohe Mauer errichtet, zynisch "Peace Wall" – Friedensmauer – genannt. Sie steht noch immer da, als hässlicher Schandfleck. Aber heute macht man es anders, meint Billy Scott:

Wandgemälde mit B. Obama und F. Douglass
"Peace Wall" in West Belfast
"Spirit Of Belfast" auf dem Arthur Square

[O-Ton Billy Scott:]
"Instead of building walls …
Statt Mauern bauen wir Einkaufszentren und Gewerbegebiete als Pufferzonen. Die Beschäftigten müssen je zur Hälfte Protestanten und Katholiken sein. Das nennt man 'positive Diskriminierung'. So sorgt man dafür, dass die Leute zusammen arbeiten, zusammen einkaufen und Kontakte knüpfen. Erst wenn die mentalen Barrieren gefallen sind, können wir die physischen Barrieren einreißen.
… then pulling down the physical barriers."

Er ist auch ein kleiner Philosoph, unser Taxifahrer, und ein großer Optimist: Vor allem für die jungen Leute spiele die Religion eine immer geringere Rolle. Und so hofft er, dass sich mit der Zeit in Nordirland vieles zum Besseren wendet.

 

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