Rund um den Ith 3
LUSTIGE LÜGENMÄRCHEN
- im Münchhausen-Museum von Bodenwerder
Südwestlich des Ith-Gebirges, in einer Weserschleife, liegt das Städtchen Bodenwerder. Im heutigen Rathaus wurde am 11. Mai 1720 ein gewisser Freiherr Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen geboren. In jungen Jahren stand er in russischen Militärdiensten und kam weit herum. Danach zog er sich auf seine Güter in Bodenwerder zurück, ging oft auf die Jagd und erzählte an langen Winterabenden im Freundeskreis von seinen Abenteuern. Und wenn er das eine oder andere Gläschen Punsch intus hatte, neigte der Baron schon mal zu Übertreibungen. Jedenfalls wurden seine Geschichten als Buch veröffentlicht und machten ihn weltberühmt. Als Lügenbaron kennt ihn heute jedes Kind. Im Stadtbild von Bodenwerder erinnern zahlreiche Skultpturen an seine skurrilen Abenteuer. Und im Münchhausen-Museum neben dem Rathaus findet man viele Erinnerungsstücke an Bodenwerders berühmtesten Sohn. Vor allem aber werden seine Geschichten noch einmal lebendig.
Reportage (Radio hr4, 28.01.2006):
[Atmo-Ton Werner Koch:]
"Der Münchhausen war im russisch-türkischen Krieg. Er sollte erkunden, wieviel Feinde denn jenseits der Stadtmauern waren. Da dachte er sich, wenn du mit dem Pferd davorstehst, kannst du ja gar nicht hinüberschauen. Und da hatte er eine bessere Idee: Er stellte sich neben eine Kanone. Als der Schuss losging, sprang er auf die Kugel, flog mit dieser nun oben über die Stadt, konnte genau sehen, was sich dahinter abspielte."
So beginnt es, Münchhausens wohl berühmtestes Lügenmärchen vom Ritt auf der Kanonenkugel. Kaum einer kennt es besser als Museumsführer Werner Koch. Auch wenn er zu erzählen beginnt, lauschen die Besucher wie gebannt. Dabei haben sie fast alle Geschichten schon mal gehört oder gelesen.
[O-Töne Museumsbesucher:]
"Bekannt war mir die Geschichte mit dem Hirsch und den Kirschkernen."
"Die mit den Enten, mit der Leine."
"Die Geschichte mit der Kanonenkugel natürlich."
"Die meisten, die er mir eben erzählt hat, kannte ich auch, aber in anderer Version. Ich kannte das also nicht so schön, konnte es auch nicht so schön erzählen."
Auch der echte Baron galt als ein Meister der Erzählkunst. Seine adligen Freunde jedenfalls waren so begeistert, dass sie die Geschichten weiter und weiter verbreiteten, bis sie irgendwann an den landgräflichen Hof zu Kassel gelangten.
[O-Ton Werner Koch:]
"Dort war zu jener Zeit der Wissenschaftler Rudolph Erich Raspe. Er hatte Unterschlagung begangen, er hatte die Münzsammlung vom hessischen Hof etwas erleichtert, und um sich der Strafe zu entziehen, floh er nach England, schrieb dort in London 17 dieser Geschichten zu einem ersten Buch in englischer Sprache. Es war ein Bestseller in England, und unser Münchhausen in Bodenwerder, der wusste von nichts."
Ein Jahr später wurde das Buch ins Deutsche übertragen, durch weitere Geschichten ergänzt und ist bis heute in 30 Sprachen erschienen. Der Baron selbst verdiente keinen roten Heller daran. Im Gegenteil, sie brachten ihn um einen ruhigen Lebensabend, und er verlor einen Teil seines Vermögens durch einen langwierigen und teuren Prozess. Im betagten Alter von 74 nämlich heiratete er in zweiter Ehe eine Siebzehnjährige. Die aber war nur auf sein Geld aus und hielt auch nichts von ehelicher Treue. Hieronymus von Münchhausen zog bald die Konsequenz und reichte die Scheidung ein.
[O-Ton Werner Koch:]
"Das wollte die junge Dame verhindern, nahm sich Advokaten und beschimpfte den Baron bei dem Gerichtstermin als 'Lügenbaron', denn was er ihr vorwarf – Untreue, Verschwendung und so weiter – das sei doch alles gelogen, und dass der ja immer lügt, das sieht man ja auch an seinen Büchern und Geschichten."
Der Beiname "Lügenbaron" hat ihn schwer gekränkt. Münchhausen selber sah sich bloß als phantasiebegabten Fabulierer. Und seine Freunde schilderten ihn stets als Vorbild eines ehrenhaften und wahrheitsliebenden Edelmannes. Doch mit dem Titel "Lügenbaron" verkauften sich die Bücher noch besser als zuvor. Und inzwischen ist ein Ehrentitel daraus geworden, denn keiner log so unterhaltsam wie er. Außer Museumsführer Werner Koch vielleicht. Und so wollen wir auch nicht versäumen, wenn er die Geschichte vom Ritt auf der Kanonenkugel zuende erzählt.
[Atmo-Ton Werner Koch:]
"Plötzlich bekam er einen Schreck. Er dachte, wenn du mit der Kanonenkugel landest, wirst du ja als Spion gefangen genommen. Doch da kam ihm der Zufall entgegen. Der Feind schoss ja auch aus der Stadt heraus. Eine Kugel kam dicht vorbei. Da sprang er doch ganz beherzt von seiner auf die Feindeskugel, flog mit dieser wieder retour und war gerettet."
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