Hegau-Bodensee 3

ROSEN, TULPEN, NELKEN

alle Blumen welken. So begann früher mancher Eintrag in Poesiealben. Und vergänglich sind auch die Blumen auf der Bodensee-Insel Mainau, unweit von Konstanz. Aber bevor sie gänzlich verwelken, werden sie stets durch neue ersetzt. So bleibt das Touristenziel Nr. 1 in der Region das ganze Jahr über attraktiv. Schon seit den 1930er Jahren, als der neue Besitzer, der schwedische Graf Lennart Bernadotte, die Mainau für Besucher öffnete, erfreuen sich Scharen von Blumenfreunden an dem bunten Blütenmeer im "Schwäbischen Meer". Inzwischen kommen rund eine Million Besucher jährlich. Viele erwerben sogar eine Dauerkarte. Und ein Heer von GärtnerInnen sorgt dafür, dass es niemals langweilig wird.

Reportage (Radio SWR4 RP, 07.10.2018):

Markus Zeiler ist Gartendirektor auf der Insel Mainau und damit Herr über Millionen Blüten. Zwar kann er sich auf ein 60-köpfiges Team stützen, aber zum Beispiel wenn es darum geht, welche Blumen gepflanzt werden, spricht der Chef ein gewichtiges Wörtchen mit. Über die Frage, was denn seine persönlichen Lieblingsblumen sind, muss er aber erst mal nachdenken, bevor er antwortet:

[zum Anhören klicken: O-Ton Gartendirektor Markus Zeiler]

"Ich find', die Zwiebelblumen haben mir's eigentlich angetan, das heißt Tulpe und Narzisse im Frühjahr, auch später dann Gladiole zum Beispiel, wo aus so einer kleinen Kugel was Wunderschönes entstehen kann. Gräser find' ich eigentlich ganz spannend, ja, und dann die Kombination aus allem, das macht's dann."

Der Spätsommer auf der Mainau steht ganz im Zeichen der Dahlien. Auch hier macht es die Kombination: Aus 270 Sorten in unterschiedlichsten Farben und Formen wird ein kunterbunter Blütenteppich geknüpft. Wer ist die Schönste im ganzen Land? Diese Frage reicht Markus Zeiler gerne ans Publikum weiter.

[O-Ton Markus Zeiler:]
"Der Besucher kann hier zur Hauptblüte im September seine Lieblingsdahlie wählen, wir nennen das dann die Mainau-Dahlienkönigin. Wir machen das schon über 65 Jahre, mit attraktiven Preisen, also 'ne Geschichte mit 'ner ganz langen Tradition und bei den Besuchern immer wieder sehr beliebt."

Tradition hat inzwischen auch schon das Jahresmotto. In diesem Jahr heißt es "Faszination Afrika". Dazu gehören Palmen und tropische Früchte ebenso wie eine Sandskulptur in Form der ägyptischen Sphinx.

Gartendirektor Markus Zeiler
Sphinx aus Sand
Falter im Schmetterlingshaus

[O-Ton Markus Zeiler:]
"Im nächsten Jahr steht die Insel unter dem Jahresmotto 'Sonne, Mond und Sterne'. Anlass ist unter anderem der 50-jährige Jahrestag der Mondlandung, und die Gestirne, allen voran die Sonne und der Mond, prägen eigentlich unser gärtnerisches Tun. Der Lauf der Sonne sorgt für Tag und Nacht, sorgt für die Ausbildung der Jahreszeiten, die für uns Gärtner mehr als relevant sind, und insofern ist es für uns einfach mal legitim die Gestirne als Jahresmotto zu wählen."

Vorher steht aber noch der Winter an. Da blüht es zwar deutlich weniger, aber Attraktionen warten auch in der kalten Jahreszeit auf die Besucher. Das Arboretum beispielsweise mit exotischen Baumriesen. Oder das Schmetterlingshaus, wo man sich im künstlichen Regenwaldklima zwischendurch mal aufwärmen kann. Und die tropischen Falter dort sehen fast so aus wie bunte Blüten ...

 

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VOM RITTER ZUM RITTERSPORN
- wie die Mainau zur Blumeninsel wurde

Nicht immer war das Schloss auf der Insel Mainau von einem Blütenmeer umgeben. Und nicht immer war die Insel im Besitz der Grafen Bernadotte, die dem schwedischen Königshaus entstammen. Zuvor gehörte sie seit dem Mittelalter dem Deutschen Ritterorden. 530 Jahre lang, vom 13. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, waren Ordensritter hier ansässig. Sie waren es auch, die zwischen 1739 und 1746 die barocke Schlossanlage erbauen ließen – und zwar von dem deutsch-italienischen Baumeister Johann Caspar Bagnato.
In der Deutschordenszeit wurde die Mainau landwirtschaftlich genutzt. Es gab Wiesen, Getreidefelder, nach Süden hin einen Weinberg und in unmittelbarer Nähe zum Schloss einen Küchen- und Gemüsegarten. Da wurde das angebaut, was für die Versorgung der Ritter nötig war.
Nach der Säkularisierung des Ordens 1803 begann eine wechselvolle Geschichte für die Mainau. Mehrfach innerhalb weniger Jahrzehnte wechselten die Besitzer. Von 1827 bis 1830 war der ungarische Fürst Nikolaus von Eszterhazy Herr der Insel. Er begann die mittelalterlichen Befestigungsanlagen zurückzubauen und brachte die ersten fremdländischen Pflanzen mit. Ein Tulpenbaum im Arboretum soll noch aus dieser Zeit stammen.
1853 erwarb Großherzog Friedrich I. von Baden die Mainau als privaten Sommersitz. Er war leidenschaftlicher Pflanzensammler, leidenschaftlicher Gärtner und ließ den Park um das Schloss verschönern. Wege, auf denen man flanieren konnte, wurden angelegt ebenso wie Sitzplätze an Aussichtspunkten. Exotische Bäume wurden gepflanzt, die den Grundstock für das heutige Arboretum bildeten. Zu Beginn der 1860er Jahre kam ein Blumengarten im italienischen Stil hinzu. Die streng geometrische Linienführung war gerade in Mode. Der Großherzog hatte sie bei mehreren Reisen nach Italien kennen und schätzen gelernt. Aus dieser Anlage ist der heutige Rosengarten hervorgegangen.
Großherzog Friedrich war verheiratet mit Großherzogin Luise, einer preußischen Prinzessin. Ihr Vater war ab 1871 der Deutsche Kaiser Wilhelm I. Entsprechend war Luise die Schwester von Kaiser Friedrich III. und die Tante von Wilhelm II. Das Ehepaar hatte gemeinsam drei Kinder. Der erste Sohn, Prinz Ludwig, starb früh, und der zweite Sohn Friedrich II. von Baden trat 1907 nach dem Tod des Vaters das Erbe an. Seine Mutter, Großherzogin-Witwe Luise, verfügte, dass im Park von Mainau nichts verändert werden solle.

Ordenswappen am Schloss

Danach folgte eine Phase, in der der Park verwilderte. Großherzog Friedrich II. vermachte dann die Insel an seine Schwester Viktoria. Diese Viktoria wurde durch Heirat schwedische Kronprinzessin und später schwedische Königin. Ihr Bruder Friedrich II. übergab ihr die Mainau mit der Bedingung, sie möge dafür sorgen, dass nach ihrem Ableben die Insel in den Besitz ihres zweitgeborenen Sohnes Wilhelm kommt. Prinz Wilhelm wiederum war verheiratet mit der russischen Großfürstin Maria Pawlowna aus der Zaren-Dynastie der Romanows. Die Ehe wurde zwar früh geschieden, dennoch gab es einen Nachkommen, nämlich einen gewissen Prinz Lennart. Nach der Scheidung der Eltern wuchs  Lennart, der 1909 auf die Welt gekommen war, bei seiner Großmutter Königin Viktoria im Stockholmer Stadtschloss auf und besuchte mit ihr schon in Kindertagen die Urgroßmutter Luise auf der Insel Mainau.
Prinz Lennart schlug gemeinsam mit seinem Vater die Hände überm Kopf zusammen, als sie 1930 erfuhren, dass sie die Mainau geerbt hatten. Später schrieb er in seinen Memoiren, sein Erbe sei ein "schwimmender Dschungel" gewesen. Es gab im Schloss nur wenige Fenster, von denen aus man den Bodensee sehen konnte, weil nach mehr als 20 Jahren ohne gärtnerische Pflege alles zugewuchert war.
1932 heiratete Lennart die bürgerliche Fabrikantentochter Karin Nissvandt. Wegen dieser morganatischen Ehe musste er auf sämtliche Thronansprüche verzichten und auch auf seine Apanage. Der königliche Prinz nannte sich fortan Graf Bernadotte, kehrte Schweden den Rücken und machte die Insel Mainau zu seinem ständigen Wohnsitz. Er wollte seinen Lebensunterhalt eigentlich aus den Erlösen von Land- und Forstwirtschaft bestreiten, hat dann aber schnell festgestellt, dass man auch mit dem Tourismus Geld verdienen kann. Es kamen die ersten Besucher auf die Mainau. Einer wollte einen Kaffee trinken, der zweite ein Würstchen essen und der dritte eine Postkarte schreiben. Graf Lennart kam den Wünschen entgegen, fotografierte selber, denn er war ein guter Fotograf, nahm Parkmotive auf und verkaufte sie als Postkarten. So begründete er das Tourismus-Unternehmen Mainau. Schon vor dem 2. Weltkrieg öffnete er die Insel sukzessive für Besucher. Während des Krieges ging er zurück nach Schweden, setzte aber seine Pläne nach Kriegsende fort. In den Zeiten des Wirtschaftswunders wurde die Mainau ausgebaut, der Park erweitert, Graf Lennart und sein Team pflanzten Blumen im großen Stil und machten die Mainau zu dem, was sie heute ist, nämlich das größte Tourismus-Unternehmen am Bodensee.
Seit Lennart Bernadotte 2004 im Alter von 95 Jahren starb, ist sein Sohn aus zweiter Ehe, Graf Björn, der Herr über die Blumeninsel. Er leitet die Mainau GmbH gemeinsam mit seiner Schwester, Gräfin Bettina.

Schloss Mainau, gesehen von der Fähre nach Meersburg

 

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