Essen 5

HOLLYWOOD IN ESSEN
- das Premierenkino "Lichtburg"

Ruhrpott-Tristesse und Hollywood-Glamour, das scheint überhaupt nicht zusammen zu passen (wenngleich der Ruhrpott keineswegs überall trist und Hollywood nicht überall glamourös ist). Und dennoch verbreitet die Essener "Lichtburg" einen Hauch von Glitzerwelt voller Stars und Sternchen. Deutschlands größtes Filmtheater mit 1250 Plätzen war in den 50er und 60er Jahren das deutsche Premierenkino schlechthin, und auch heute noch flimmern vor allem viele heimische Produktionen zuallererst über die Essener Riesenleinwand. Zu den glanzvollen Premierenfeiern reisen Schauspieler, Regisseure und viele prominente Gäste an. Für ein paar Stunden zumindest wird die Ruhr-Metropole zur Hauptstadt der (inter-)nationalen Filmszene.
1928 eröffnet, verkörpert die "Lichtburg" schon seit mehr als 80 Jahren Essener Kinokultur. Man kann dort aber nicht nur allabendlich die Vorstellungen besuchen. Immer am letzten Samstag im Monat gewährt das Filmtheater einen Blick hinter die Kulissen. Bei einer Führung begegnet man vielen bekannten Leinwand-Größen, und die goldenen Zeiten des Kintopps werden wieder lebendig.

Reportage (Radio hr4, 02.01.2010):

[Musik: "Sag', warum willst du von mir gehen?" von Bruce Low aus dem Film 12 Uhr mittags]

Schlagerbarde Bruce Low, Interpret der deutschen Titelmelodie aus 12 Uhr mittags – High Noon, ritt im Cowboy-Dress auf einem Schimmel durch die Kettwiger Straße in Essen. So rührte er die Werbetrommel für die deutsche Erstaufführung des Western-Klassikers im Mai 1953 – mit Hollywood-Star Gary Cooper. Die Stadt an der Ruhr stand Kopf.

Aber vor allem die Lieblinge des deutschen Nachkriegskinos gaben sich in der "Lichtburg" ein Stelldichein: von Hans Albers über Horst Buchholz und Romy Schneider bis hin zu Zarah Leander.
Auch in jüngerer Zeit war viel Prominenz zu Gast. Als "Das Wunder von Bern" Premiere feierte, kamen die echten WM-Helden Horst Eckel und Ottmar Walter – und natürlich Regisseur Sönke Wortmann mit seinen Kickern aus dem Leinwand-Epos:

[O-Ton: Bernhard Wilmer:]
"Dann ging nach dem Film der Vorhang auf, und dann standen die plötzlich da. Das war Gänsehaut pur. Wir hatten die Buddenbrooks, richtig groß, mit Bundespräsident. Das, was für uns aber die Premiere ist, wo wir wirklich von schwärmen, war Der amerikanische Neffe."

Theaterleiter Bernhard Wilmer erinnert sich noch gut an den Auftritt von Pierce Brosnan, der in dem irischen Film die Hauptrolle spielte. Der James-Bond-Darsteller musste während der Vorstellung per Hubschrauber zur Harald-Schmidt-Show nach Köln geflogen werden.

[zum Anhören klicken: O-Ton Bernhard Wilmer]

"Er kam pünktlich zurück, Moderator auf die Bühne, vorgestellt – Pierce Brosnan. Alle standen auf, stehende Ovationen, er kriegte 'n Mikrofon und sagte: 'Dear people from Cologne'. Es ging ein Raunen durchs Publikum, bis ihm dann von dem Moderator gesteckt wurde, wo er denn eigentlich sei. Dat war für den alles eins – ob Essen oder Köln. Und dann fiel er auf die Knie: 'Please, forgive me, I'm Irish', schmiss seinen Blumenstrauß ins Publikum und hatte gewonnen."

Premierenfeier mit Pierce Brosnan
Bernhard Wilmer im Vorführraum
"Lichtburg" in der Kettwiger Straße

In der "Lichtburg" laufen meist nicht die so genannten Blockbuster – Massenware für ein Massenpublikum – sondern viele deutsche Produktionen, auch anspruchsvollere Filme, die trotzdem gute Kinounterhaltung versprechen. Einmal im Monat gibt's auch eine Seniorenvorstellung.

[O-Ton Bernhard Wilmer:]
"Es gibt nicht Kaffee und Kuchen hinterher, sondern es gibt 'n Glas Sekt vorher. Das ist einfach 'ne andere Atmosphäre. Wir zeigen Nordwand: Das ist ja eigentlich kein typischer Seniorenfilm, und trotzdem haben wir den ganz gezielt, ganz bewusst dafür eingesetzt. Und da werden auch 700, 800 Leute hier sein, da bin ich sicher."

Bernhard Wilmer zeigt uns die Bühne hinter der Leinwand, er gewährt Einblicke in den Vorführraum und in die Filmbar. Am beeindruckendsten aber ist der große Saal mit seinen 1250 Plätzen. Im Stil der 50er Jahre gehalten, erinnert er mehr an ein Opernhaus als an ein Kino. Für Nachwuchsschauspieler Daniel Brühl, bekannt aus Good Bye, Lenin!, ist die "Lichtburg" nicht nur das größte, sondern auch das schönste Kino Deutschlands. Zum 80-jährigen Jubiläum schrieb er:

[Auszug Grußwort von Daniel Brühl:]
"Die imposante Größe des Saals, das Licht, der wunderschöne schwere Vorhang und das leise Geräusch, wenn er sich öffnet. Die bequemen roten Sitze, von denen man sich einen im Parkett oder aber oben auf der Tribüne ergattern kann, all das macht ein Kinoerlebnis magisch, das ist der Unterschied zu Multiplex und Heimkino, das ist der Grund, warum mir als Jugendlicher der Wunsch kam auch mal einen Film fürs Kino zu drehen."

[Musik: "Sag', warum willst du von mir gehen?" von Bruce Low aus dem Film 12 Uhr mittags]

 

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