Essen 3

KRUPP IN ESSEN
- die Villa der Stahl-Dynastie

Neben der Kohle hat auch der Stahl lange Zeit eine überragende Rolle in Essen gespielt – und die Stahlproduktion ist untrennbar mit dem Namen Krupp verbunden. Bis zu 130.000 Menschen waren zeitweise bei der Firma beschäftigt, ganze Stadtteile wurden extra für die Mitarbeiter errichtet. Die Industriellenfamilie selbst lebte Jahrzehnte lang in einem kleinen Häuschen mitten auf dem Werksgelände, bis Firmenchef Alfred Krupp genug davon hatte. Anfang der 1870er Jahre ließ er einen repräsentativen Familiensitz auf einem Hügel über der Ruhr erbauen. Diese Villa Hügel, wie er sie nannte, soll im Grundbuch als "Einfamilienhaus" eingetragen worden sein, erzählt man sich in Essen. Tatsächlich handelte es sich um einen wahren Palast mit 269 Zimmern, der dem Selbstverständnis des reichsten und mächtigsten Unternehmers seiner Zeit Ausdruck verlieh.
Schon seit mehr als einem halben Jahrhundert lebt die Familie Krupp nicht mehr dort, dafür stehen Teile der Villa Hügel zur Besichtigung offen. Neben der Zeche Zollverein ein weiteres Muss für alle, die Essen und seine Kultur verstehen wollen.

Reportage (Radio hr4, 02.01.2010; hr-iNFO, 16.03.2010):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Geräusch: Stahlproduktion]

"Hart wie Krupp-Stahl" ist noch heute ein geflügeltes Wort. Und was für sein Produkt galt, traf auch auf den Firmenpatriarchen selbst zu. Alfred Krupp war hart gegen seine Konkurrenten, aber auch hart gegen sich selbst. Mit stählernem Willen ging er seinen unternehmerischen Weg, machte aus der kleinen Stahlschmiede seines Vaters einen Stahlkonzern von Weltrang. Und er war stolz darauf. Davon zeugt sein prächtiges Arbeitszimmer, davon zeugt die gesamte Villa Hügel, deren Pracht eines Fürsten würdig wäre:

[O-Ton Mark Stagge:]
"Er sagte: 'Lieber der erste Unternehmer als der letzte Adelige des Reiches.' Er hat Nobilitierungen, also Verleihung von Adelstiteln, mehrfach abgelehnt und war insofern dezidiert bürgerlich, hat aber natürlich mit diesem Haus auch den Anspruch schon dokumentiert, den Unternehmer in der Zeit durchaus hatten, gesellschaftlich."

Mark Stagge vom Historischen Archiv Krupp beginnt seine Führung im ehemaligen Gästetrakt der Villa. Hier dokumentiert eine Dauerausstellung die Firmengeschichte. Ein Blickfang sind drei Eisenbahnradreifen aus Gussstahl, die zum Firmenlogo wurden. Solche nahtlosen und damit bruchsicheren Radreifen exportierte Krupp in die ganze Welt.

Arbeitszimmer von Alfred Krupp
Radreifen aus Gussstahl
Mark Stagge vor Kaiser-Wilhelm-Bild

[O-Ton Mark Stagge:]
"Das war das Hauptstandbein eigentlich für die ganz rasche Expansion der Firma in den 1850er, 60er und auch 70er Jahren. Die Rüstung kam dann später hinzu, hat aber diese überragende Bedeutung, die ihr oft zugeschrieben wird für die Firma, eigentlich nur selten gehabt."

Hauptsächlich wegen ihrer Kanonen allerdings hatten Alfred Krupp und seine Nachfolger Beziehungen zu den allerhöchsten Kreisen. Selbst der Deutsche Kaiser Wilhelm II. war in der Villa Hügel häufiger Gast.
Solch hoher Besuch wurde allerdings nicht im Gästetrakt untergebracht, sondern – standesgemäßer – im Haupthaus. Platz genug war ja vorhanden, selbst bei einer großen Familie wie den Krupps.

[O-Ton Mark Stagge:]
"Der Erbauer, Alfred Krupp, hat mit seiner Frau und seinem Sohn hier gelebt und nicht so sehr vielen Angestellten. Später dann, vor dem 1. Weltkrieg, waren bis zu 600 Angestellte auf dem ganzen Gelände der Villa Hügel und dem Park beschäftigt, und auch die Familie ist stark angewachsen. Bertha Krupp von Bohlen und Halbach und ihr Mann hatten dann sieben Kinder, die hier groß geworden sind, sodass der Haushalt an sich dann größer geworden ist als zu Beginn."

Familie Krupp von Bohlen und Halbach
Eingangshalle des Haupthauses
Firmenpatriarch Alfred Krupp

Dennoch empfand der letzte Alleininhaber des Imperiums, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, die Villa wohl als zu kalt, zu überdimensioniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte er selbst dort nicht mehr wohnen. Sie gehört jetzt der von ihm gegründeten Krupp-Stiftung. Seit den Fünfziger Jahren wird das Haus für unterschiedlichste Zwecke genutzt:

[Atmo: Wochenschau-Ausschnitt]
"Die Villa Hügel in Essen war der glanzvolle Rahmen für eine märchenhafte Modenschau vor einem illustren Publikum. Tausend geladene Gäste sahen hundert neue Modelle von Christian Dior."

Vor allem hochkarätige Kunstausstellungen wurden zum Markenzeichen. Aber auch Bilanzpressekonferenzen des Thyssen-Krupp-Konzerns finden hier statt. Und selbst wenn der riesige Schreibtisch im Arbeitszimmer der Villa Hügel längst verwaist ist – der unternehmerische Geist von Alfred Krupp weht noch heute durch die 269 Räume.

 

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