Essen 1

BERGBAU IN ESSEN
- mit dem Steiger durch die Zeche Zollverein

Kultur durch Wandel zeigt sich im Ruhrgebiet am deutlichsten da, wo früher Bergbau betrieben wurde. Etwa 3000 Zechen gab es einmal in der Region, rund 1000 allein in der Stadt Essen. Heute gibt es noch ganze vier im gesamten Ruhrpott, in Essen keine einzige. Der Steinkohleabbau lohnt sich nicht mehr, im Ausland wird billiger produziert. Auch die Essener Zeche Zollverein – mit dem größten Kohleschacht der Welt (gemessen an der Fördermenge pro Tag) – wurde 1986 stillgelegt. Doch im Gegensatz zu fast allen anderen verschwand sie nicht von der Bildfläche, sondern wurde als Industriedenkmal unter Schutz gestellt. 2002 hat die Unesco sie sogar als Weltkulturerbe anerkannt. Der ehemalige Förderturm von Schacht XII ist zum neuen Wahrzeichen von Essen geworden.
Heute kann man die oberirdischen Anlagen der Zeche Zollverein besichtigen – ein Pflichtprogramm für jeden, der die ganz besondere Kultur an der Ruhr erleben will. Zwar ist es aus Sicherheitsgründen nicht möglich in die Grube einzufahren, aber auch bei einer "Steigerführung mit Püttgeschichten" (immer am Freitagabend) erfahren die Besucher viel über die Arbeit der Bergleute, bevor hier Schicht im Schacht war.

Reportage (Radio hr4, 02.01.2010):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Atmo-Ton: Günter Stoppa]
"Schönen guten Abend oder auch Glückauf! Ich möcht' Sie im Namen der Stiftung Zollverein recht herzlich begrüßen. Mein Name ist Günter Stoppa, ich war hier auf dem Bergwerk tätig bis zur Stilllegung."

Der Steiger im Ruhestand hat sein halbes Leben auf der Zeche Zollverein verbracht, einige Jahre davon auch unter Tage. Bevor wir zu unserem Rundgang starten, muss er uns noch mit dem Jargon der Bergleute vertraut machen.

[O-Ton: Günter Stoppa]
"Im Bergbau gibt es keine Luft. Luft heißt Wetter. Deshalb haben wir eben diese Wetterschächte und so weiter. Im Bergbau gibt es keine Steine. Steine heißen Berge. Im Bergbau hieß jede Bewegung, die getätigt wird, fahren. Wenn man unten sich bewegt, fährt man – mit den Füßen, mit der Lokomotive, 'ne Leiter rauf, 'ne Leiter runter, alles heißt fahren."
- Und was ist der Steiger eigentlich?
"Von dem Ursprung isses eben so, dass man ja früher auch durch Leitern in die Grube eingefahren ist, und dann war eben der erste, der runter ist, war der Steiger, aber von der Ausbildung her ist der Steiger eigentlich der Bergingenieur."

[Atmo: Warnglocke]

Immer, wenn diese Glocke erklang, ging’s hinunter in die Tiefe – oder besser: "Teufe", wie der Bergmann sagt – der Auftakt zu einem wahren Knochenjob:

[O-Ton Günter Stoppa:]
"Wir hatten hier eine Durchschnittsflözmächtigkeit von unter 1,50 Meter. Die meiste Kohle, die abgebaut worden ist, im Liegen, Sitzen, Knien. Also, wir haben angefangen mit dem Handabbau bei ungefähr 50 Zentimeter. Das waren früher die niedrigsten Flöze. Wenn Sie sich vorstellen, dass Sie da 'rein müssen und da die ganze Schicht drunter wegholen, das war beschwerlich. Dann natürlich die Wärme, die unten war, der Staub, der sich auftat, das war natürlich, was dem Bergmann schon so'n bisschen abverlangte."

Ex-Bergmann Günter Stoppa
Blick über das Zechengelände
Handabbau im Knien

Ein "bisschen abverlangte" ist sicher stark untertrieben. Vor allem der Steinstaub war nicht nur lästig, er setzte sich in der Lunge fest, viele Bergleute gingen daran elendig zugrunde.

[Atmo-Ton Günter Stoppa:]
"Ist natürlich dann auch schnell abgeschafft worden. Dieses Trockenbohren wurde verboten. Man hat dann diese Bohrstangen, wie Sie hier schon sehen, benutzt. Da wurde Wasser mit 'reingedrückt, sodass man mit Wasser bohrte. Aber als man dem Kumpel diese Bohrstangen an die Hand gab, musste er zu dem Pressluftschlauch noch 'n Wasserschlauch mit transportieren, hat ihm auch nicht gepasst, und stand dann in der Matsche, wenn er gebohrt hat."

1941 gab es in der Zeche Zollverein ein schweres Unglück. Bei einer Grubengasexplosion kamen 28 Kumpel ums Leben.

[O-Ton Günter Stoppa:]
"In der früheren Zeit war das Aufspüren dieses Gases eigentlich ziemlich schwierig. Heute sind diese Schlagwetterexplosionen – man kann eigentlich nie 'nie' sagen – aber unwahrscheinlich, weil man ganz andere Messmethoden hat und Methoden eben, sofort dagegen anzugehen."

Dennoch sind sich alle Teilnehmer an der Steigerführung am Ende einig: Der Job des Bergmanns, das wäre nichts für uns.

(O-Ton Teilnehmer:)
"Zu gefährlich, zu anstrengend, zu ungesund!"

Dann doch lieber gemeinsam ein Schnäpschen trinken und die Steigerführung mit Püttgeschichten gemütlich ausklingen lassen:

[Atmo-Ton Günter Stoppa und Teilnehmer:]
"Zum Wohl, Glückauf!"
"Glückauf!"

 

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