Deutsche Märchenstraße 3

DIE BRÜDER JACOB UND WILHELM
- zu Gast in der Kasseler "Grimmwelt"

Über Grimms Märchen und ihren möglichen Ursprung haben wir schon einiges gehört. Fehlen noch die Autoren selbst – Jacob und Wilhelm Grimm. In Hanau wurden sie 1785 bzw. '86 geboren, aber einen Großteil ihres Lebens verbrachten sie in Kassel. Dort verfassten sie 1812 auch die erste Ausgabe ihrer "Kinder- und Hausmärchen", die sie dann im Laufe der Jahrzehnte mehrfach überarbeiteten. 2015 wurde in Kassel zu Ehren der Brüder die "Grimmwelt" eröffnet, ein monumentales Museum, das schon im ersten Jahr mehr als 150.000 Besucher zählte. Und selbstverständlich ist die "Grimmwelt" auch eine wichtige Station an der Deutschen Märchenstraße – eine multimediale sogar.

Reportage (Radio SWR4 RP, 01.04.2018):

[zum Anhören klicken: Atmo "Rumpelstilzchen" in der Grimmwelt]

"Komm' mal her, ja du! Ja, genau, dich mein' ich. Hallo, du, ja! Hörst du mich? – Ach, wie gut, dass niemand weiß...  – Komm' ein Stück näher – Und dass niemand weiß... – Damit du mich hören kannst. Pass' mal auf, ich muss dir was erzählen."

Die "Grimmwelt" in Kassel hat viel zu erzählen. Etwa 200 Märchen umfasst die Gesamtausgabe der Brüder Grimm. In mehr als 100 Sprachen wurde sie übersetzt. In Wort, Bild und Schrift bringt das Museum die Welt der Grimms den Besuchern näher. Und die lieben ihre Märchen:

[Umfrage Besucher "Grimmwelt":]
"Also, Hänsel und Gretel fand ich immer toll und das Rotkäppchen eigentlich, ja."
"Rapunzel und Rumpelstilzchen und Dornröschen."
"Rumpelstilzchen."
"Dornröschen."

Ob Dornröschen oder Rumpelstilzchen, die Brüder Grimm haben ihre Märchen zwar selbst zu Papier gebracht, aber sie haben sie nicht selbst erdacht, betont Museumsführerin Julia Ronge:

[O-Ton Julia Ronge:]
"Die Grimms haben im Prinzip Geschichten gesammelt, Märchen gesammelt, die im Volk immer mündlich erzählt worden sind, und die Grimms wollten eben diese Erzähltradition bewahren und aufschreiben, dass diese Geschichten nicht in Vergessenheit geraten."

Julia Ronge neben Viehmann-Statue
Brüder Grimm im Puppentheater
Rotkäppchen lebt noch heute

Die "Grimmwelt" würdigt deshalb auch die Märchenerzählerin Dorothea Viehmann aus dem heutigen Baunatal. Sie steht im Schatten der Brüder, und doch hat sie wesentlich zu ihrem Ruhm beigetragen:

[O-Ton Julia Ronge:]
"Zumindest hatte sie einen großen Anteil daran, weil sie sich eben auch persönlich selbst für diese Märchen, für diese Geschichten interessiert hat, sich immer wieder erzählen lassen hat und somit eben ein Fundus war für die Grimms, eine ganz wichtige Quelle."

Es geht aber nicht nur um Märchen in der "Grimmwelt". Das Museum hat sich zur Aufgabe gemacht, auch die anderen, in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannten, Verdienste der Brüder hervorzuheben:

[zum Anhören klicken: O-Ton Museumsführerin Julia Ronge]

"Die beiden waren in erster Linie Sprachwissenschaftler, Sprachforscher, Germanisten, haben geforscht, haben Texte aus dem Mittelhochdeutschen, dem Althochdeutschen übersetzt, haben herausgefunden, wie die Lautverschiebungen vonstatten gegangen sind, also das, was man heute Germanistik nennt, was es damals noch nicht gab, haben sie mitbegründet."

Die erste "Deutsche Grammatik" stammt von den Brüdern Grimm. Auch das erste "Deutsche Wörterbuch", eine Art Lexikon der deutschen Sprache. Ihre weltweite Bekanntheit allerdings verdanken die Brüder vor allem den "Kinder- und Hausmärchen". So mögen Jacob und Wilhelm Grimm zwar vor langer Zeit gestorben sein, aber Rotkäppchen, Schneewittchen & Co., die leben noch heute.

 

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ES MUSS NICHT IMMER GRIMM SEIN
- die Sage von der Teufelsmühle zu Ilbeshausen

Bei einer Reise auf der Deutschen Märchenstraße begegnet man allenthalben den Brüdern Grimm und ihren Märchen. Aber nicht alles, was so an Märchen und Sagen kursiert, geht auf die Grimms zurück. Auch die Geschichten anderer Sammler und Erzähler kommen an der Märchenstraße zu ihrem Recht. So etwa die Sage von der "Teufelsmühle zu Ilbeshausen", aufgeschnappt und aufgeschrieben von dem lutherischen Pfarrer Theodor Bindewald aus Groß-Eichen (heute ein Ortsteil von Mücke). Im Jahre 1872 veröffentlichte er sein "Oberhessisches Sagenbuch" mit 220 Volkssagen, die überwiegend aus dem Vogelsberg stammen. Als Verehrer der Brüder Grimm sah sich Bindewald berufen deren Werk fortzuführen. Im Vorwort zu seinem Buch zitiert er Jacob Grimm, der in einem Brief an den Gießener Germanisten Prof. Karl Weigand dazu aufgerufen hatte, "die Volkssagen, worin Unglaubliches steckt, treu und ausführlich zu sammeln. Treiben sie doch zu Vogelsberger Sammlungen. Wer zu suchen weiß, ist des Findens sicher an Orten, wo andere leer ausgingen". Theodor Bindewald suchte und fand. Sein Sagenbuch widmete er Prof. Weigand, dem "verdienstvollen Lexikographen und gründlichen Kenner des hessischen Volkstums".
Eine dieser oberhessischen Sagen handelt, wie erwähnt, von der sogenannten Teufelsmühle zu Ilbeshausen (heute Ilbeshausen-Hochwaldhausen, ein Ortsteil von Grebenhain). Die frisch restaurierte Mühle aus dem Jahr 1691 wird zu den schönsten Fachwerkhäusern im Vogelsberg gezählt. Nicht zuletzt um ihretwillen führt die Deutsche Märchenstraße auch durch Grebenhain. Besichtigen kann man die Mühle allerdings nicht, denn sie ist in Privatbesitz.
Einen Vorgängerbau gab es nachweislich schon Ende des 15. Jahrhunderts. Er gehörte einem Müller namens Claes Tuvel(n). Aus "Tuvel" hat der Volksmund vermutlich "Teufel" gemacht und dann folgende Geschichte ers(p)onnen [zitiert aus: "Oberhessisches Sagenbuch" von Theodor Bindewald, nachgedruckt und neu erschienen bei Hansebooks]:
"Unter allen Gebäuden zu Ilbeshausen, ja, man kann sagen, im ganzen hohen Vogelsberg, zeichnet sich durch ihre Bauart die Hansenmühle aus. Sie ist zwar nur aus Holz errichtet, aber so bedeutend in der Länge, so fein und kostbar mit allerlei Zierrat an Fenster, Gebälk und Thüren, wie kein ander Haus rings herum. Das hat aber auch seine besondere Bewandtnis.
Ein einzlinger Mann hatte sich sieben Jahre im Oberwalde das Holz gehauen und bearbeitet und den ganzen Plan mutterseelenallein gemacht, dass, als es an's Bauen ging, ihn der Hochmut übernahm und er mit dem Teufel wettete, dass er gerade so schön und schneller bauen könne als wie er selbst.
Infolge dessen machten sich denn die zwei an ihr Werk, der Teufel baute den untern Giebel, der so wunderschön und noch jetzt die Bewunderung Aller ist, der Zimmermann den obern, der jenem nicht im Mindesten entspricht. Zudem ward der Teufel auch eher fertig und hing zum Hohne seinen Hut auf die oberste Spitze des Gebäudes nach dem Walde hin auf, dann führte er den Zimmermann in's Krainfelder Feld; da zerriß er ihn in den Lüften ..."
Die Moral von der Geschicht': Hochmut kommt vor dem Fall, und wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.

 

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