Augsburg 2

WIEDERGEBURT DER RENAISSANCE
- ein Stadtbummel durch das "Goldene Zeitalter"

Es war Augsburgs Goldenes Zeitalter, als Kaiser und Kurfürsten hier prunkvolle Reichstage abhielten, als Handel und Handwerk blühten und sich Bürgerstolz in prächtigen Bauwerken ausdrückte – es war das Zeitalter der Renaissance. Reiche Kaufleute wie Fugger und Welser hatten den italienischen Stil von ihren Handelsreisen mitgebracht. Mit seiner Rückbesinnung auf die Antike prägte er im 16. und frühen 17. Jahrhundert Kunst und Architektur der Stadt. Große Zerstörungen hat der Zweite Weltkrieg in Augsburg angerichtet, aber längst strahlen die Schätze des Goldenen Zeitalters wieder in altem Glanz. Bei einem geführten Stadtbummel erlebt man sie auf Schritt und Tritt, die Wiedergeburt der Renaissance. Aber aufgepasst, in der Heimat der Puppenkiste können sich schon mal ungebetene Gäste dazugesellen.

Reportage (Radio hr4, 10.08.2013):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Ausschnitt aus "Bill Bo und seine Kumpane" von der Augsburger Puppenkiste:]
"Bill Bo und seine Bande zieh'n lang schon durch die Lande..."

Oh je, die wilde Räuberbande! Die muss wohl ausgebüxt sein, um auf Beutezug zu gehen, und da kommt der "Goldene Saal" des Rathauses gerade recht. Aber Gästeführerin Regina Thieme lässt sich nicht beirren. Der Saal, erklärt sie ungerührt, stammt aus der Renaissance, und da gab es in Augsburg mehr Goldschmiede als Bäcker.

[O-Ton Regina Thieme:]
"Wenn man hier rein kommt durch diese große Seitentür, dann sieht man auf einmal diese große goldene Decke, die dort aufgehängt ist – und zwar in 14 m Höhe, aufgehängt an 27 Ketten ins hölzerne Dachgebälk."

Mehr als 500 Quadratmeter Malereien, eingebettet in vergoldetes Nussholz. Ein Anblick, der Räuberhauptmann Bill Bo glatt umhaut:

[Ausschnitt aus "Bill Bo und seine Kumpane" der Augsburger Puppenkiste:]
"Bomben, Granaten, Element, Blitz, Plotz, Donnerwetter, Sapperment noch mal!"

Apropos Bomben und Granaten, im Zweiten Weltkrieg wurde die goldene Rathausdecke völlig zerstört.

[O-Ton Regina Thieme:]
"Die krachte also runter, brennend, und brach noch durch diesen Marmorfußboden. Das war alles ausgebrannt, sah furchtbar aus, und man sah praktisch vom ersten Stock den Himmel sozusagen, und da können Sie sich vorstellen, was da wieder an Aufbau- und Restaurierungsarbeit geleistet wurde."

Goldener Saal im Rathaus
Restaurierte goldene Decke
Eingang zum Goldenen Saal

Eine Rundumerneuerung hat auch die Unterstadt erlebt. Wie in der Renaissance durchziehen das Viertel wieder Kanäle, die vorher teils zugeschüttet waren.

[Ausschnitt aus "Bill Bo und seine Kumpane" der Augsburger Puppenkiste:]
"Ja, und wie komme mir über des Bächle? I bin Nichtschwimmer."
"Ich kann auch nicht schwimmen über Donau, bitteschön."
"Des isch doch der Rhein, du Simpel!"

Von wegen. Das ist der Lech beziehungsweise einer der Lechkanäle. Und zum Rüberkommen gibt es unzählige Brücken und Brückchen. Manche bezeichnen das Lechviertel sogar als Klein-Venedig. Aber das findet Regina Thieme unpassend:

[O-Ton Regina Thieme:]
"Diese Kanäle, die dienten den Handwerken, die hier waren, die Wasser brauchten, und sie haben Mühlräder angetrieben. In diesem Gebiet lebten sehr viele Gerber, auch Kürschner, die auch Wasser brauchten. Wo der Stadtgraben ist, da lebten die Schlosser zum Beispiel, da stoben die Funken. Also, in Venedig, da kann man sich zurücklehnen auf einer Gondel, hier wurde gearbeitet."

Nach Meinung von Experten hat die Augsburger Wasserwirtschaft das Zeug zum Weltkulturerbe. Neben den Kanälen zählen dazu historische Wasserkraftwerke, Wassertürme und die Renaissance-Brunnen. Allen voran der Augustusbrunnen.

"Klein-Venedig" im Lechviertel
Herkulesbrunnen
"Vater Lech" am Augustusbrunnen

[O-Ton Regina Thieme:]
"Wir haben hier vier Brunnenfiguren, zum Beispiel den 'Vater Lech', der auch nach Osten blickt. Im Haar hat er Fichtenzapfen, und er ist mit einem Wolfsfell bekleidet. In der Hand hat er ein Flößerruder."

Ähnlich fantasievoll sind auch die anderen Figuren gestaltet. Doch Bildhauer-Kunst lässt unsere Räuberbande offenbar kalt.

[Ausschnitt aus "Bill Bo und seine Kumpane" der Augsburger Puppenkiste:]
"Männer, is des da dribbe net e Wirtshaus?"
"Da kennte mer vielleicht e Schälchen hääße Milch begommen."
"Und e Bier."
"Und e Viertele Rote."
"Des is allwei e gude Weinmonat."
"Oh, Ungarland!"

Gott sei Dank, die sind wir los! Aber nach so viel Wasser ein Bier oder ein Viertel Rotwein ist eigentlich gar keine schlechte Idee…

 

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MARTIN LUTHER
- der unbequeme Reformator

Die Zeit der Renaissance war auch die Zeit der Reformation. Sie brachte große Umwälzungen in Deutschland und ganz Europa. Die Stadt Augsburg ist eng mit den damaligen Entwicklungen verbunden. So wurde auf dem Reichstag 1555 der "Augsburger Religionsfriede" geschlossen. Er beendete die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland zumindest für die nächsten sechs Jahrzehnte.
Ausgegangen war die Reformationsbewegung von Martin Luther, der 1517 seine berühmten Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen hatte. Seine Kritik am kirchlichen Ablasshandel und am Papsttum verbreitete sich wie ein Lauffeuer und fand rasch viele Anhänger. Um einen Flächenbrand zu verhindern, bestellte Papst Leo X. 1518 Luther zum Reichstag nach Augsburg, wo ihn Kardinal Thomas Cajetan verhören sollte. Ziel war es, dass Luther seine "ketzerischen" Thesen widerrief. Aber der blieb standhaft, obwohl ihm der Scheiterhaufen drohte.
In der evangelischen Kirche St. Anna in Augsburg hängt nicht nur das berühmte Luther-Porträt von Lucas Cranach dem Älteren. Dort ist auch eine umfangreiche Dokumentation über Luther und die Reformation zu sehen. U.a. kann man Auszüge aus dem nachgestellten und sehr emotional geführten Disput zwischen Luther und Cajetan hören:

[zum Anhören klicken: Disput zwischen Luther und Cajetan]

 

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