Alaska 4
KENNECOTT / MCCARTHY
- Erben des Kupferrausches
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Alaska ein vergessenes Land, irgendwo weit weg am Polarkreis. Zwar hatten die Amerikaner es 1867 von den Russen gekauft, überließen es dann aber weitgehend sich selbst. Erst als dort Gold entdeckt wurde, rückte die ungeliebte Region in den Mittelpunkt des Interesses. Den größten wirtschaftlichen Schub jedoch erlebte Alaska nicht durch den Goldrausch, sondern durch die Entdeckung von gewaltigen Kupfervorkommen in den Wrangell Mountains. Im Zeitalter der Elektrifizierung war das "Rote Gold" von unschätzbarem Wert. Deshalb wurde mit Unterstützung millionenschwerer Investoren 1911 eine Eisenbahnlinie vom Hafenort Cordova an der Südküste bis hinauf in die Berge gebaut, um den Kupferabbau in großem Stil betreiben zu können. Die Mine am Fuße des Kennicott-Gletschers und das dazugehörige Hüttenwerk beschäftigten Tausende von Arbeitern. Um die alle unterzubringen, entstand ein paar Meilen flussabwärts der Ort McCarthy. Er entwickelte sich zum Sündenbabel voller Spelunken und Freudenhäusern, in denen die Minenarbeiter ihr sauer verdientes Geld verjubeln konnten.
Doch Ende der Dreißiger Jahre ging das Kupfererz zur Neige, die Mine wurde geschlossen. Kennecott und McCarthy mutierten zu Geisterstädten. Erst 1998 übernahm der Wrangell-St.-Elias-Nationalpark Kupferhütte, Kraftwerk und etliche Gebäude von privaten Eigentümern, um sie Touristen zugänglich zu machen. Mit seiner liebevoll konservierten bzw. restaurierten Wildwest-Romantik ist der verkehrsberuhigte Doppelort heute ein beliebtes Reiseziel. Und die Erben des Kupferrausches leben nicht schlecht davon.
Reportage (Radio hr4, 05.03.2011; rbb-INFOradio, 02.06.2011):
Ma Johnsons's Hotel würde eine gute Western-Kulisse abgeben. Das Relikt aus den Dreißiger Jahren ist für viele die erste Adresse, wenn sie McCarthy nach stundenlanger holpriger Fahrt über die ehemalige Eisenbahntrasse erreicht haben. Nicht nur außen, auch innen hat das Hotel viel vom alten Charme bewahrt:
[O-Ton Neil Darish:]
"It's known as a living museum …
Es ist ein lebendes Museum. Die Bettgestelle stammen aus verschiedenen Privathäusern oder aus dem Krankenhaus in Kennecott, erzählt Mitinhaber Neil Darish. Wir wollten so viel wie möglich wiederverwerten. Die Räume sind relativ klein im Vergleich zu neueren Hotels, nicht alle haben ein eigenes Bad, es gibt zum Beispiel auch keine Steckdosen in den Zimmern. Aber es ist eben als würden Sie bei Freunden übernachten statt im Hotel. Obwohl es ein modernes Haus ist, fühlen Sie sich zurückversetzt in eine andere Zeit.
… feel like a genuine step back in time."
Und das gilt für ganz McCarthy. Selbst halb verfallene Bruchbuden und rostige Autowracks im Ortsbild können den positiven Gesamteindruck nicht trüben.
(O-Töne Touristen:)
"Es erinnert einen 'n bisschen an den Wilden Westen und das ist halt die Alaska-Lebensart hier. Man ist frei, man macht, was man will, man lässt die Sachen auch mal 'n bisschen rumliegen. Aber es gibt wunderschöne Ecken, es gibt wunderschöne Blumen hier, der Saloon ist um die Ecke, also we will take it, as it is."
"Es ist absolut faszinierend. Es ist hier wirklich, wie wenn man in einer Geisterstadt ist, die aber gleichzeitig lebt sozusagen. Man wird zurückversetzt um hundert Jahre irgendwie. Es ist einfach faszinierend, traumhaft schön und unbeschreiblich irgendwo."
Vor hundert Jahren war von Romantik allerdings wenig zu spüren. Das erfahren wir bei einem Rundgang auf dem Gelände der ehemaligen Kupfermine in Kennecott. Es wurde rund um die Uhr geschuftet, nur an Weihnachten und am Nationalfeiertag standen die Räder still. Die Arbeiter erhielten zwar recht hohe Löhne, berichtet Minenführerin Molly Davis, aber sie führten auch ein raues und hartes Leben. Mit am schlimmsten sei der nie endende Lärm gewesen:
[O-Ton Molly Davis:]
"Imagine, it's your first day ...
Stellen Sie sich vor, sie sind den ersten Tag hier, die erste Nacht, Sie versuchen zu schlafen. Und die ganze Zeit hören Sie den Lärm aus dem Hüttenwerk, die ratternden Maschinen. Das war schon gewöhnungsbedürftig.
... an adjustment period."
Aber längst ist es still geworden, der Kupferrausch Geschichte, der Doppelort Kennecott/McCarthy ein letzter Außenposten der Zivilisation. Und ausgerechnet hier finden Touristen ein Restaurant der Extraklasse, wo zum abendlichen Dinner Menüs bis zu 20 (!) Gängen aufgetischt werden. In der traditionsreichen McCarthy Lodge, gleich gegenüber von Ma Johnson's Hotel, steht Spitzenkoch Joshua Slaughter am Herd und sorgt für Gaumenkitzel nach Alaska-Art.
[O-Ton Neil Darish:]
"All the salmon we've ever …
Sämtlicher Lachs, den wir hier servieren, ist roter Lachs aus dem Copper River, führt Gastronom Neil Darish als Beispiel an. Er legt den längsten Weg von allen Lachsen zurück, und er hat den höchsten Fettgehalt. Richtig zubereitet, zergeht er auf der Zunge, und unser Küchenchef weiß genau, was zu tun ist. Wenn sie davon gekostet haben, merken unsere Gäste, das ist was ganz Besonderes.
… really special going on there."
Aber so ein 20-Gänge-Menü muss erst mal verdaut werden. Da genehmigen wir uns doch einen Whisky gleich nebenan im Saloon und lassen die Wildwest-Atmosphäre von McCarthy so richtig auf uns wirken.
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